Reader's Digest
30 July 2024
Liebe Leserin, lieber Leser, vor einigen Wochen unternahmen meine Frau und ich eine Reise durch Südspanien. Diese führte uns auch nach Granada und Córdoba – Städte, die für die bewegte Geschichte Andalusiens stehen, das über Jahrhunderte hinweg von Mauren regiert wurde. Die Alhambra in Granada mit den Nasridenpalästen ist vermutlich das bekannteste Kulturerbe aus dieser Zeit. Sie hat mich allerdings weniger zum Nachdenken angeregt als die Mezquita-Catedral von Córdoba. Wie ihr Name sagt, handelt es sich dabei zugleich um eine Moschee und eine Kathedrale. Was mich vor allem beeindruckte, ist, dass die ursprünglich von den Westgoten erbaute Basilika im 8. Jahrhundert viele Jahrzehnte lang von Muslimen und Chris- ten gemeinsam genutzt wurde. Erst dann kaufte der Herrscher Abd ar-Rahman I. den Christen ihren Teil der Kirche ab. Ob er sie dabei hinausgedrängt hat, ist historisch umstritten. Jedenfalls konnten sie mit dem Geld Kirchen in der Nähe aufbauen. Die Moschee wuchs zu einem religiösen Zentrum heran, das am Ende 40 000 Gläubigen Platz bot. Als die Christen Córdoba 1236 zurückeroberten, wurde das ebenso schlichte wie schöne Gebäude mit den 856 Säulen und Hufeisenbögen erneut zur Kirche. Im 16. Jahrhundert errichtete man im Inneren wenig feinfühlig eine riesige Kathedrale, die das Bauwerk seither dominiert – mit Billigung von Karl V. Als der Kaiser die Baustelle besuchte, soll er allerdings reuig gesagt haben: „Ihr erbaut, was es andernorts schon gibt, und habt dafür etwas zerstört, was einmalig in der Welt war.“ Für mich bleibt die Mezquita-Catedral trotzdem ein Sinnbild für das, was möglich ist: ein friedliches Miteinander der Religionen. Und das hat unsere Welt aktuell nötiger denn je. Zuversichtlich grüßt Sie einmal mehr Ihr Michael Kallinger
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