Reader's Digest
19. November 2025

Liebe Leserin, lieber Leser, Jean Paul schrieb einmal, die Erinnerung sei das einzige Paradies, aus dem man uns nicht vertreiben könne. Natürlich vergessen wir das eine oder andere. Grundsätzlich aber sammeln wir mit jedem Lebensjahr mehr Stoff für unsere „Bibliothek der Erinnerungen“, die unendlich viel Platz bietet. Auch ich denke an vieles gern zurück: das Aufwachsen meiner Kinder, tolle Reisen, bereichernde Begegnungen. Oft lösen Texte, Bilder, noch häufiger aber Musik oder Gerüche Erinnerungen bei mir aus. Wenn ein Teller mit Apfelschnitzen und Nüssen vor mir steht, denke ich unweigerlich an meine Großmutter, die mir diese so oft als Kind serviert hat. Dann wird mir warm ums Herz. Sie wäre jetzt 113 Jahre alt. Erinnerungen können uns erfreuen oder trösten. In ihnen kehrt Schönes zu uns zurück. Deshalb sind sie eine Quelle der Kraft, wie es auch unser Klassiker aus dem Jahr 1985 (Seite 64) wunderbar beschreibt. Das Erinnern hat aber noch eine weitere Funktion, und die ist von immenser Bedeutung für unsere Zukunft. Vor allem dann, wenn wir uns an das erinnern, was nicht gut war. Wer selbst Hunger gelitten hat, kann mitfühlen, wenn andere dies tun – egal wo auf der Welt. Wer einen Krieg erlebt hat, weiß, dass dabei eines immer verloren geht: die Menschlichkeit. Und wer verfolgt wurde wegen seines Glaubens, seiner Nationalität oder seiner Überzeugungen wird Demokratie und Freiheit ganz anders zu schätzen wissen als jemand, der beides stets als gegeben betrachtet hat. Erinnern wir uns also gern zurück an all das Gute, das uns widerfahren ist. Erinnern wir uns aber auch an das, was schlecht war – und setzen wir alles daran, Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen. Eine besinnliche Weihnachtszeit mit schönen Erinnerungen wünscht Ihnen Ihr Michael Kallinger Chefredakteur

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