Reader's Digest
30 January 2023
Liebe Leserin, lieber Leser, ehrlich gesagt kann ich mit dem Valentinstag wenig anfangen. Mir erscheint er als Gedenktag, von dem vor allem Parfümanbieter und Blumenhandlungen profitieren. Viele, meist jüngere Menschen dagegen begehen den Tag mit großem Enthusiasmus. Was sie allerdings nur selten tun – und das unterscheidet sie von meiner Generation –, ist einander Liebesbriefe zu schreiben. Und, nein, eine WhatsApp-Nachricht mit Herz-Emojis ist kein Liebesbrief. Das bestätigt Sprachwissenschaftlerin Eva Lia Wyss. Die Schweizerin hat bereits 1998 ein Liebesbriefarchiv gegründet und erklärt im Interview, wie wunderbar sich durch die Jahrhunderte die jeweilige Gesellschaft in ihren amourösen Noten spiegelt (Seite 86). Als ich ihre gleichermaßen erhellenden wie unterhaltenden Ausführungen gelesen habe, fühlte ich mich an meine eigenen Sturm- und Drangzeiten erinnert, die in die späten 1980er-Jahre fielen. Damals gab es weder Smartphone noch Internet, dafür die Briefpost. Ja, die brauchte ihre Zeit, was romantischen Seelen Tage des Bangens und der Hoffnung bescherte. Aber wie beschleunigte dann der Herzschlag, wenn ein Brief vom geliebten Menschen im Briefkasten lag! Welche Mühe gab man sich beim Schreiben, und wie süß (oder bitter) war so manche Antwort, die man dann wieder und wieder las. Sicher, das war eine andere Zeit. Unsere Kinder werden kaum zu Papier und Tinte zurückkehren. Und, wenn ich so überlege, hoffentlich nie oder erst nach unserer Zeit zu lesen bekommen, was ihre Eltern im Überschwang der Gefühle so geschrieben haben. Sehr viel Lesegenuss dagegen wünsche ich Ihnen gleich jetzt bei der Lektüre unserer neuen Ausgabe! Herzlich grüßt Sie Ihr Michael Kallinger
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