Frühlingsglitzern

4 min lesen

Kurzgeschichte

Ein Biarritz-Krimi von Alexander Oetker

Der Juwelier lag erschossen vorm Tresor. War einer seiner Kunden der Täter? Commissaire Luc Verlain will einen nach dem anderen verhören. Schade nur um den schönen Tag …

Die Kugel traf ihn, als er gerade seinen Tresor öffnen wollte“, sagte der Gerichtsmediziner, während Commissaire Luc Verlain den Toten auf dem Boden betrachtete. Der schneeweiße Marmor war voller roter Sprenkel, die bereits zu Blut-Lachen wurden. „Er ist der Besitzer?“, fragte Luc. „Ja, sein Name ist Arthur Chabalier. Der berühmteste Juwelier der Stadt. Und der berüchtigste.“

Luc sah den Gerichtsmediziner überrascht an. „Was heißt das?“

„Man munkelte seit Jahren, dass er gefälschte Schmuckstücke verkaufte. Diamanten, die keine sind, Luxusuhren, auf denen nur der Name steht, die aber die Schweiz höchstens beim Vorbeiflug aus China gesehen haben.“ „Aber das fällt doch auf“, warf Luc ein. „Wenn die Kunden sich beschwerten, redete sich Chabalier geschickt raus, dass die Diamanten ausgetauscht wurden – er würde selbstverständlich nur Originale verkaufen. Es gibt zig Anzeigen gegen ihn, aber die Kollegen hier konnten ihm nie was nachweisen.“

„Also jetzt hat anscheinend jemand kurzen Prozess gemacht ...“

Fotos: Imago, Shutterstock, PR

„Gut möglich“, sagte der Arzt, der sich hier offenbar bestens auskannte. „Leider fehlen die Videos der Überwachungskamera, der Laptop, der die Aufnahmen speichert, ist verschwunden.“

Luc betrachtete den Laden und die Szenerie davor. Hier drinnen herrschte ein Glitzern und Funkeln wie im Märchen aus tausend und einer Nacht, die Auslagen waren voller goldener Ringe, Uhren und Edelsteine, von denen ein Stück so kostbar war, dass es Lucs Jahresgehalt locker überstieg. Auf dem Verkaufstisch standen ein silberner Sektkühler mit einer geöffneten Flasche Champagner und ein benutztes Glas.

Es war der teuerste Juwelier in einer Stadt, die ohnehin ein Mekka für Kaufsüchtige und Luxusliebhaber war. Dabei war Biarritz auch ohne die Schickeria ein Traumort. Die Stadt vor dem Schaufenster war atemberaubend, Luc sah die schroffen Felsen mitten im Ozean, den Leuchtturm auf der Landzunge und die alten Gebäude in Bäderarchitektur, das schnieke Kasino, die vielen Restaurants und Caféterrassen. Nicht umsonst hatte Napoléon hier seine Sommerfrische verbracht, genau wie viele reiche französische Rentner ihre Winter hier verlebten.

Luc ging hinter den Tresen des Verkaufraums und betrachtete den Kalender des heutigen Tages. In Geschäften dieser Klasse konnte man nicht einfach einkaufen, Interessenten buchten einen Termin. „Er hatte heute drei potenzielle Kunden“, sagte der Commissaire zu Hugo, seinem Assistenten. „Laden Sie bitte alle vor, aber ich möchte die Verhöre nicht im Kommissariat führen. Das Wetter ist viel zu schön

Dieser Artikel ist erschienen in...

Ähnliche Artikel

Ähnliche Artikel