DAS GANZE SPEKTRUM

3 min lesen

Wir alle kennen Vereinsläufer, Laufeinsteiger, Kilometersammler und Rennmaschinen. Doch es gibt noch viele, viele andere Typen von Läufern. Tatsächlich bietet unser Sport so ziemlich jedem Kauz und Freak eine Heimat …

Text JOHN CARROLL

Reifes Alter: Dieser Läufer hat schon alles erlebt – vieles sogar schon zweimal
ILLUSTRATIONEN: FABIO BUONOCORE (SYNERGY ART)

01.

Das Babyjogger-Pärchen

Ihr Laufkinderwagen ist von Maserati, und ihre Laufklamotten stammen stets aus der jeweils neuesten Ausgabe der „Vogue“. Sein Haar ist so glänzend und perfekt gepflegt wie das Fell eines verhätschelten Seehunds; ihres ist zu einem Pferdeschwanz gebunden, der nie hin- und herschwingt, da sie ihm das verboten hat. Bei Läufen im Park gleiten beide nur so an normalsterblichen Läufern vorbei und scheinen dabei nicht einmal zu atmen. Das Baby im Buggy dient lediglich als Ballast, und anschauen darf man es erst, wenn man eine Geheimhaltungsvereinbarung unterzeichnet hat, denn es sieht überraschend unscheinbar aus. Manche haben noch einen Hund am Buggy festgeschnallt, vermittels einer Perlenkette. Dieser hat ein kurzes, rotbraunes Fell und die stolze Attitüde eines Westentaschendiktators.

02. Der Ultraläufer

Dieser Typ läuft gleich morgens 40 Kilometer und lächelt danach breit, denn er ist ja gerade 40 Kilometer gelaufen. Er trägt kaum Laufbekleidung, da es an ihm herzlich wenig zu bedecken gibt: Ultras bestehen aus langen Muskelsträngen und Sehnen, die, wenn man daran zupft, so klingen wie die E-Saite einer Geige. Ultras besitzen eine zerlesene Erstausgabe von Chris McDou-
galls „Born to Run“, und sollten sie je als Zeuge vor Gericht geladen werden, werden sie darauf bestehen, ihren Eid auf das Buch zu leisten. Wenn Sie einem Ultraläufer erzählen, Sie seien bereits drei Marathons gelaufen, wird er fragen: „Heute?“

03. Der knorrige Veteran

Dieser alte Routinier läuft bei Wind und Wetter und durch die Jahrhunderte. Sein Trikot hängt verloren an knochigen Schultern; es ist aus Flachs und noch auf dem Webstuhl gefertigt. Er trägt Turnschuhe aus Segeltuch, aber keine Socken – die hält er für Tinnef. Seine Shorts sind aus kratzigem Tweed, und wund gescheuerte Stellen wie blutige Brustwarzen beim Marathon betrachtet er als Strafe Gottes dafür, dass man zu viel schwitzt. Er hat wirres Haar und einen wilden Blick, spitze Ellenbogen und aufgeschürfte Knie, und seine persönliche Bestzeit im Marathon ist 2:30:25, aber das weiß er nicht, weil er die Zeit anhand des Stands der Sonne misst. Der verbliche

Dieser Artikel ist erschienen in...

Ähnliche Artikel

Ähnliche Artikel