ALPEN TIPPS

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ALPEN PÄSS E

Ruhig, schön, steil, besonders: Geheim-Tipps in den Alpen – Pässe, die nicht jeder kennt, und etliche Traum-Touren in Deutschland, Österreich, Schweiz, Italien, Frankreich und Slowenien.

Fotos: Mattia Rizzi, Sportograf, Katharina Stürmer

Neun km/h, acht, sieben. Der Steigungsgrad der schmalen Straße, auf der ich mich bergauf quäle: 17, 18, 19 Prozent. Ich kann das Ende des Steilstücks nicht erkennen – aber ich sehe, was um mich herum ist: Natur. Schönheit. Eine der beeindruckendsten Gebirgsformationen der Welt – die Rosengarten-Gruppe in den Dolomiten. Diese Region ist auch bekannt für einige legendäre Anstiege des Giro d’Italia und der größten Radmarathons. Die Sellaronda, Pässe wie der Campolongo, Pordoi, Sella, Falzarego, Valparola, Giau – dies sind Namen, die in fast jedem Radsportler etwas auslösen. Meine heutige Tour führt mich zu keinem dieser berühmten Anstiege. Der Pass, an dem ich gerade fahre, ist unbekannter, ein „Geheimtipp“ – und zu allem Überfluss eine Sackgasse. Ich quäle mich quasi „umsonst“, der Weg ist das Ziel. Dieser Weg beginnt an der von vielen Radsportlern frequentierten Straße zwischen Moena und Canazei im Fassatal. In einem Kreisverkehr halte ich mich auf dem Weg nach Canazei links und erreiche kurz darauf den Beginn des Anstiegs. Die Straße führt hinauf zum Rifugio Gardeccia. Sie beginnt sofort extrem steil. Die einzige Serpentine kommt nach wenigen Hundert Metern, das erste Steilstück endet nach rund 1,5 Kilometern – und mehr als 200 Höhenmetern. Ich passiere das kleine Örtchen Monzon, durch das die Straße flach führt, man „verliert“ sogar einige Höhenmeter. Anschließend wird der Weg steiler und immer schmaler – kurz hinter Monzon ist er für den motorisierten Verkehr gesperrt. Bei rund zehn Prozent Steigung kann ich die Auffahrt fast schon genießen. Die Straße führt mit wenigen seichten Kurven durch den Wald bergan. Es ist Anfang September. Andere Radfahrer sehe ich hier kaum. Die Sonne scheint, 22 Grad, die Temperaturen sind fast perfekt. Ich passiere einige Wanderer, die mich mit einer Mischung aus Respekt und Mitleid betrachten. Ich bin kaum schneller als sie. Der Weg wird immer steiler, nach jedem absolvierten Kilometer kündigt ein Schild die Daten des folgenden an. Auf dem nächsten Schild steht eine für mich aktuell extrem unschöne Zahl: 13,3 Prozent. Ein Gedanke drängt sich in meinen Kopf: „Warum tue ich mir das an?“ Für das Erlebnis. Für die Natur. Für die Ruhe. Für den Gegenpol zum Alltag. Für das Oben-Ankommen. Im Jahr 2011 endete hier oben eine Etappe des Giro d’Italia, die Mikel Nieve vor Stefano Garzelli und Alberto Contador gewann. Die Fahrer mussten damals 200 Kilometer und 5000 Höhenmeter durch die Dolomiten fahren – für mich ist es „nur“ der zweite Anstieg des Tages nach dem Passo San Pellegrino. Nach 6,5 Kilometern und 57

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