Reader's Digest
25 May 2022
Liebe Leserin, lieber Leser, wenn ich sehe, wie die Finger meiner Kinder über die Tastaturen ihrer iPhones fliegen, komme ich mir manchmal uralt vor. Pausenlos sind die beiden im Austausch mit anderen, sei es per WhatsApp oder über soziale Plattformen wie Instagram; beide nutze ich auch, aber nicht in dieser Intensität. Dagegen liebe ich eine Funktion meines Smartphones, die für meinen Nachwuchs nebensächlich ist: Man kann damit telefonieren! Zum Missfallen meiner Kinder rufe ich sie oft ohne Vorwarnung an, um in „Realtime“ Sprachnachrichten mit ihnen auszutauschen, vulgo: zu sprechen. Beide empfinden das fast schon als unhöflich. Sie bevorzugen es, wenn ich mich mit einem „Können wir telefonieren?“ per Kurznachricht anmelde. Noch unangenehmer als mein Anruf ist ihnen, selbst jemanden anrufen zu müssen und sich mit unmittelbaren Reaktionen konfrontiert zu sehen. Was, wenn die Dame von der Zulassungsstelle genervt oder unfreundlich ist? Was, wenn der Herr von der Bank Fragen stellt, die man nicht gleich beantworten kann? Geht’s nicht wenigstens per E-Mail? Okay, ich übertreibe ein wenig, aber manchmal habe ich das Gefühl, da versteckt sich eine Generation hinter dem digitalen Vorhang. Und lässt sich dabei all die Zwischentöne, die Möglichkeiten entgehen, aufeinander zu reagieren und im Gespräch etwas zu entwickeln. Verständnis für ein Anliegen lässt sich im persönlichen Gespräch eben doch leichter schaffen als in einem Onlinechat. Das meint auch meine Kollegin Patricia Pearson, die sich in ihrem Beitrag ab Seite 95 sehr humorig mit der Etikette der sogenannten Millennials auseinandersetzt – die durchaus höflich sein können, auf ihre ganz eigene Weise. Viel Vergnügen bei der Lektüre wünscht Ihnen Ihr Michael Kallinger
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