HART AN DER GRENZE

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NORDPORTUGAL

Hinter der Atlantikküste, im dünn besiedelten nördlichsten Zipfel Portugals, führen Sträßchen durch die Bergeinsamkeit der Serra d’Arga und des Nationalparks Peneda-Gerês. Oder über die Grenze ins spanische Galicien. Aber egal, wohin es geht: Steile Straßen mit fantastischen Aussichten warten überall

BESUCH IN SPANIEN Die Kehren am Monte de Santa Trega schrauben sich bis 330 Meter hoch über den Atlantik und gewähren Tiefblick auf die spanische Gemeinde A Guarda
FOTOS Günter Standl

„Paralelo“ ist ein schönes Wort. Es hat einen schönen Klang, so als würde es etwas Klares, etwas Gradliniges und Formschönes beschreiben. Ich rase mit Tempo 65 eine Abfahrt hinunter und bin eigentlich gar nicht in der Lage, noch über irgendetwas nachzudenken. Mir kommt es vor, als würden Großhirn und Kleinhirn und was es da sonst noch so gibt in meinem Kopf, so durcheinandergeschüttelt und -gerüttelt werden, dass dauerhaft nichts mehr an seinem Platz bleibt. Denn die Abfahrt im Nationalpark Peneda-Gerês im Norden Portugals führt über eine Straße mit Kopfsteinpflaster – auf Portugiesisch: Paralelo.

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Ricardo Felgueiras grinst, als ich ihm von meinen Schütteltrauma-Erfahrungen auf den Paralelos erzähle. „Was willst du, das ist doch eine erstklassige Massage“, sagt er. Ricardo ist Ex-Profi und arbeitet inzwischen als Guide im FeelViana Sport Hotel, das an der Atlantikküste im äußersten Norden Portugals liegt, direkt südlich der 86.000-Einwohner-Stadt Viana do Castelo. „Ich liebe das Kopfsteinpflaster“, fährt Ricardo fort, „wenn man darüberfährt, kann man sich fast sicher sein, dass man die Straße für sich hat – und meistens ist es dort landschaftlich wunderschön.“

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So weit Ricardos Logik, aber in mir vibriert es einige Stunden nach der Tour noch überall. Seine These mag stimmen – und sie stimmt auch nicht. Die Kopfsteinpflas- terpassagen im Parque Nacional da Peneda-Gerês führen ohne Zweifel durch eine atemberaubend schöne und spektakuläre Berglandschaft: kein Auto weit und breit, fantastische Ausblicke, Wasserfälle links und rechts der Straße, Stauseen, die in der Sonne glitzern. Mal rollte ich durch dichten Zauberwald, dann wieder über karge Hochebenen. Aber es gibt dort zum Glück auch viele fein asphaltierte Straßen, und die Landschaft drum herum bietet ein nicht minder grandioses Naturspektakel als auf den Paralelos. Und um alle Kopfsteinpflaster-Phobiker zu beruhigen: In Anlehnung an Paris-Roubaix von der „Hölle des Nordens“ in Portugal zu sprechen, wäre dann doch übertrieben. Die Paralelos in Nordportugal sind deutlich besser

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