Liebe Leserinnen und Leser

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Es waren Anthropologen, Soziologinnen und Theologen, die lange Zeit zu Ritualen geforscht haben. Sie haben gefragt: Warum haben Menschengruppen Rituale entwickelt, welche Funktion haben diese in einer Gesellschaft oder in einer Religion? Erst in jüngerer Zeit beschäftigen sich auch Psychologinnen und Psychologen mit dem Thema: „Es hat in der klinischen Psychologie begonnen, die sich mit den ritualisierten Handlungen bei Zwangsstörungen beschäftigt hat“, erzählt Juliana Schroeder. „Und es ging weiter in der Sportpsychologie – dort haben Forschende beobachtet, dass viele Athletinnen und Athleten Rituale praktizieren, bevor sie ins Spiel oder in den Wettkampf gehen.“ Juliana Schroeder ist Associate Professor an der University of California, Berkeley und hat an mehreren Veröffentlichungen über Rituale mitgearbeitet. Inzwischen ist die Frage „Was passiert auf einer individuellen Ebene, wenn ein Mensch ein Ritual praktiziert?“ im Herzen der psychologischen Forschung angekommen.

Die Titelgeschichte dieser Ausgabe haben wir Gewohnheiten gewidmet und ihrer fast magischen Kraft, Veränderungen in unserem Leben zu ermöglichen (ab Seite 12). Was ist der Unterschied zwischen einer Gewohnheit und einem Ritual, frage ich Juliana Schroeder in unserem Gespräch. „Bei Ritualen vollzieht man nicht einfach ein Set an Handlungen, sondern diese Handlungen sind mit Bedeutung aufgeladen und stehen symbolisch für etwas. Außerdem sind Rituale formalisierter, gegliedert, sie folgen einem Muster, das wiederum eine Bedeutung erzeugt.“

Ein Beispiel: Der morgendliche Kaffee kann eine – fast unbewusst ablaufende – Routine sein. Oder er wird zum Ritual: Dann ist es für mich die Zeit, die ich allein verbringe, bevor alle anderen aufstehen, in der ich meine Gedanken ordne. Ich vollziehe alle Handgriffe in derselben Reihenfolge, sitze stets am gleichen Platz und sage: Ohne mein Kaffeeritual würde i

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