Diktator im Gehirn

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Freier Wille? Gibt’s nicht, sagt der Neurowissenschaftler Robert M. Sapolsky. Wir seien bio-logische Maschinen – und damit auch schuldlos an Verbrechen

Fangen wir an mit dem Spaß: Robert Sapolsky, Biologe von Beruf, ist ein vorzüglicher Anwalt seiner Thesen. Auch in seinem neuen Buch Determined. Life without Free Will. Er vergisst nie, dass ein gutes Buch unterhalten muss. Immer wieder bringt der Autor lässig erzählte Geschichten und verblüffende Fakten – etwa von einem Menschen, der 1945 erst in Hiroshima und dann in Nagasaki beide Atombomben (lang) überlebte. Kurzum: In der B-Note für den künstlerischen Wert ist dieses Buch so gut, dass man seinem Autor alles abnehmen möchte.

Das indes sollte man lieber lassen, denn selbst der beste Erzähler kann erstaunlich danebenliegen. Und damit wird es ernst. Denn Sapolskys Botschaft ist so ernüchternd wie krude: Der Mensch sei nichts weiter als eine, ja, roboterartige Marionette, eine Maschine. Alles, wirklich alles, was ein Homo sapiens denkt, fühlt und anstellt, sei vorbestimmt durch seine Gene, durch das, was er selbst erlebt hat, überdies durch Kultur und Geschichte, durch das Universum und so weiter. Dadurch entstehe im Gehirn eine individuelle molekulare, biochemische, neuronale Gemengelage, die gleich einem Diktator in jeder Sekunde des menschlichen Lebens alles Handeln determiniere, im Guten wie im Bösen, ohne dass wir das durch „von innen“ kommendes, bewusstes motiviertes Ref lektieren oder was auch immer ändern könnten. Freier Wille: adios, tschüss und goodbye!

Allein die Diktatur des neuronalen Kosmos entscheide darüber, wie man handelt. Als Opfer ihrer Bestimmung infolge unabänderlicher Naturgesetze seien alle Menschen per se moralisch unschuldig. Die Conclusio all dessen für den Autor: „So etwas wie Schuld kann es nicht geben, Strafe ist als Vergeltung nicht zu rechtfertigen.“ Und weiter: „Niemand hat es verdient oder hat ein Recht darauf, besser oder schlechter als jemand anderes behandelt zu werden.“ Gewöhnliche menschliche Gefühle – Missgunst und Dankbarkeit, Liebe und Hass – seien im Kern überf lüssig: „Es macht genauso wenig Sinn, jemanden zu hassen, wie einen Tornado zu hassen, weil er angeblich beschlossen hat, dein Haus zu zerstören.“ Konsequenz daraus: Der Strafjustiz solle es nicht um Vergeltung gehen, da niemand an irgendetwas schuld sei. Kurzum: keine Moral als beste Moral.

Gleich zu Beginn verkündet der Autor, dass nicht eine einzelne bahnbrechende Forschungsarbeit die Non-Existenz des freien Willens beweise. Das könne nur die gebündelte Erkenntnis aus allen Disziplinen der Forschung – von der Atomphysik bis zur Sozialforschung –, die „gemeinsam den freien Willen verneinen, weil sie alle miteina

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