Wie viel Ehrlichkeit da rf’s denn sein?

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MEINE REISE

Geheimnisse, kleine Not lügen & Co.

Während die einen Geheimnisse völlig okay finden, schwören andere eher auf absolute Offenheit – wir plädieren für den Mittelweg

Ob Schwestern oder Freundinnen: Geheimnisse sind okay, wenn sie niemandem Leid zufügen

Psychologe, Psychoanalytiker, Paar- und Familientherapeut (Göttingen)

Mal angenommen, Ihre Gedanken wären immer zu hören oder zu sehen – für jeden und überall! Wetten, dass Sie den Satz „Ich habe schließlich nichts zu verbergen“ nicht einmal mehr denken würden? „Die Gedanken sind frei, niemand kann sie erraten – zum Glück“, sagt der Göttinger Paar- und Familientherapeut Prof. Dr. Günter Reich. „Jeder Mensch braucht einen privaten Bereich. Die Intimsphäre ist ein Raum, in den man nicht jeden hineinlässt.“ So schützen wir uns – und andere.

Offenes Buch? Der Schein kann trügen

Sich jemandem zu öffnen kann sehr befreiend sein – vor allem, wenn man verstanden wird
Fotos: Privat, stock.adobe.com (3)

In den sozialen Netzwerken, in Talkshows oder auch Reality TV-Shows scheint schon lange nichts mehr zu privat oder zu persönlich zu sein. „Es gibt insgesamt eine zunehmende Tendenz, über persönliche Angelegenheiten zu sprechen und sie an die Öffentlichkeit zu tragen. Gerade bei jüngeren Menschen.“ Und doch sollte man immer bedenken, dass da gezielt nur geteilt wird, was man anderen mitteilen möchte: „Auch wenn man sich im Internet oder Fernsehen maximal offen gibt, gibt es immer noch Dinge, die man nicht zeigt“, sagt Dr. Reich.

Warum die Wahrheit ungünstig sein kann

Bedingungslose Ehrlichkeit ist in vielen Bereichen des Lebens schwierig. Wer ungefiltert seine Meinung hinaus posaunt, kann andere vor den Kopf stoßen – ob nun beabsichtigt oder unbeabsichtigt (s. blaue Spalte). „Ehrlichkeit und Taktgefühl haben einen Bereich, in dem sie leicht aneinander stoßen können“, sagt der Familientherapeut. „Mit dem Satz ‚Ich bin nur ehrlich’ meint man dann jede Grenzüberschreitung rechtfertigen zu können.“ Dabei sollte man sich auch immer fragen, ob und wem die schonungslose Wahrheit etwas nützt. Zudem hat jeder Mensch sein ganz eigenes Schamgefühl und ist womöglich gar nicht daran interessiert, jedes noch so persönliche Detail erzählt zu bekommen.

Es gibt gute und schlechte Geheimnisse

Das Spektrum der Heimlichkeiten ist breit: „Es gibt unschädliche Geheimnisse, die niemandem schaden, niemandem etwas zuleide tun und die Beziehung der Beteiligten nicht schädigen“, erläutert der Experte.

Wenn wir beispielsweise frühere Liebschaften geheimhalten, die lange vor dem Kennenlernen