HEIKE MELZER überBelohnungen

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Die Neurologin weiß, wie man nur noch konsumiert, was einem wirklich guttut

INTERVIEW: Franziska Wolffheim

Heike Melzer ist Neurologin und ärztliche Psychotherapeutin. Um ihre Sinne zu sensibilisieren, verzichtet sie beispielsweise auf Kopfhörer, wenn sie im Park unterwegs ist – und hört lieber den Vögeln zu.
FOTO: Amanda Martín-Dombrowski

In ihre Münchner Praxis kommen Menschen, die kaufsüchtig sind, exzessiv am Computer spielen oder unter Stress zwanghaft essen müssen. Belohnungsreize, denen wir mittlerweile ständig ausgeliefert sind, stellen dabei oft einen Teil des Problems dar. Im Interview gibt Heike Melzer einem schnell das Gefühl, dass sie dieses Thema ganz praktisch behandelt – mit vielen Beispielen aus unserem Alltag. Mitunter wird sie richtig emotional, etwa wenn sie sich über Treueprogramme aufregt, die Händler dazu ermächtigen, ihre Kundinnen noch zielgerichteter zu triggern.

In diesen Tagen erscheint Ihr neues Buch „Versteckte Köder“. Darin erläutern Sie, dass wir uns ständig von äußeren Reizen beeinflussen lassen, etwa beim Essen oder Handykonsum. Warum machen wir das?

Schuld daran ist unser Belohnungssystem. Es wird aktiviert und der Botenstoff Dopamin ausgeschüttet. Unser Gehirn reagiert in diesem Moment noch wie zur Zeit unserer Vorfahren. Damals ging es ums Überleben, wir waren auf Belohnungsreize angewiesen, die waren aber überschaubar. Heute haben wir keinen Mangel, müssen nicht für die nächste Hungersnot vorsorgen. Trotzdem reagieren wir sehr stark auf äußere Reize. Wir essen einen Schokoriegel, obwohl wir eigentlich keinen Hunger haben. Es geht hier also hauptsächlich um Konsum, der über unsere natürlichen Bedürfnisse hinausgeht.

Wann müssen wir aufpassen?

Wenn wir abstumpfen und immer mehr Reize brauchen. Etwa zunehmend Pornos schauen oder unseren Kleiderschrank mit vermeintlichen Schnäppchen füllen. Wir machen den Überkonsum zur Gewohnheit, aus der schließlich ein innerer Zwang werden kann. Solche Prozesse können schleichend verlaufen, sich über Jahre hinziehen. Deshalb sind sie auch so gefährlich. Mein Sohn z. B. ist in der Coronazeit in Computerspielen versackt. Ich finde es beängstigend, wie schnell junge Menschen in eine Abhängigkeit geraten können.

Im Buch lernen wir auch den Gegenspieler des Belohnungszentrums kennen, den präfrontalen Kortex. Diese Kontrollinstanz, die direkt hinter unserer Stirn sitzt, hilft uns, vernünftige Entscheidungen zu treffen, Impulse zu kontrollieren. Warum

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