Das Licht hinter den Gittern

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Reportage

Gefängnisseelsorgerin Anna Becker

Warum arbeitet man als Pfarrerin ausgerechnet im größten Frauengefängnis Deutschlands? Und was lernt man dort über das Leben und die Menschen? Antworten, die nachdenklich machen

Die Schicksale der Gefangenen gehen Anna Becker oft sehr nahe. In diesem Fall ist Abgrenzung wichtig

Vorher war ich noch nie in einem Gefängnis und wusste auch nicht viel über den Beruf der Gefängnisseelsorger. Doch nach meinem Treffen mit Anna Becker weiß ich nun vor allem eins: dass wir alle jemanden brauchen, der uns Halt gibt – und ganz besonders diejenigen, die vollkommen abgeschottet von der Gesellschaft sind. Beckers Ziel in der JVA Aichach ist klar: „Ich möchte, dass sich alle als Menschen angenommen und wichtig fühlen. Dass sie nicht denken, ihr Leben sei egal.“

Als ich die freundliche Pfarrerin an jenem Morgen vor dem Eingang der Justizvollzugsanstalt traf, wunderte es mich überhaupt nicht, dass gerade sie diesen Job ausgewählt hat. Ihre ruhige Art und ihr Lächeln kamen mir so vertraut vor, dass ich sofort das Gefühl hatte, ihr alles erzählen zu können. „Und im Grunde ist es hier gar nicht so anders als in der Dorfgemeinde“, erzählte sie mir, während wir ein Stück spazieren gingen. „Mit dem Unterschied, dass die Damen hier viel direkter sind. Die Fassade der Rechtschaffenheit muss nicht mehr aufrechterhalten werden. Deshalb kann ich mit den Damen direkter über ihre Lebensfragen sprechen.” Schon während ihres Theologiestudiums interessierte sich Becker für die Gefängnisseelsorge und machte in der JVA Aichach ein Praktikum. Seit zehn Jahren kümmert sie sich hier um die Damen.

Laut Statistischem Bundesamt sind in Deutschland etwa fünf Prozent aller Inhaftierten Frauen. Hier, im größten Frauengefängnis Deutschlands, sitzen 440 Frauen ihre Strafen ab – und der Redebedarf ist groß. „Meistens muss ich gar nicht auf die Damen zugehen, sondern werde schon im Gang angesprochen, wenn ein Anliegen besteht“, erzählt Becker weiter, als wir uns in ein Café setzen. Sie spricht übrigens immer von „den Damen“, weil sie ihnen mit genauso viel Respekt begegnen will wie jeder anderen Frau.

Wie die 53-Jährige erklärt, starten viele der Insassen mit einem großen Paket an Traumata ins Leben. Häusliche Gewalt ist eines der Motive, die immer wieder auftauchen. Oft schaffen die Frauen es dann nicht, ohne Drogen zu leben, was Kriminalität nach sich zieht. „Menschen kommen nicht als Täter auf die Welt“, ist der Bayerin an dieser Stelle wichtig zu betonen. „Sie entwickeln sich oft zu Tätern aufgrund ihrer Sozialisation in Umgebungen, in denen sie manchmal den Eindruck haben, dass sie keine andere Wahl haben.“

Für die Insassen ist Anna ein Stück Nor

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