„Mein Aberglaube wurde für mich zu einem Gefängnis“

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Vom „magischen Denken“ in die Angstspirale: Krankhafte Zwänge hätten Sabrinas (47) Leben fast zerstört

„Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal einen ganz normalen Tag ohne diese Angst erlebt habe. Es fühlt sich an, als wäre mein Kopf besetzt, als gehörte er gar nicht mehr zu mir …“

Aufgeschlossen, freundlich und selbstbewusst, so nehmen wir Sabrina bei unserem ersten Treffen wahr. Von Unsicherheit oder Ängstlichkeit keine Spur. „Sie sind verwirrt, weil Sie mich anders erwartet hätten, richtig?“, fragt Sie uns lachend. „Das kann ich verstehen, aber heute ist ein guter Tag – er ist gerade. Heute passiert mir nichts.“ Und dieser Satz bringt uns mitten in die Geschichte der Bonnerin. Sabrina leidet unter sogenannten „magischen Gedanken“, einer besonderen Form der Zwangsstörung. Laut der Deutschen Gesellschaft Zwangserkrankungen (DGZ) sind zwei Prozent aller Menschen in Deutschland davon betroffen – mit einer Dunkelziffer, die vermutlich höher liegt. „Es begann mit kleinen Dingen, die mir anfangs eher nichtig erschienen und bei denen ich mir nicht viel dachte. Ich meine, es gibt ja schließlich viele Leute, die an ungeraden Tagen nicht so gern aus dem Haus gehen, oder?“, so die 47-Jährige . „Es ist nur eine kleine Marotte, nichts Wildes – das sagte ich mir wieder und wieder. Doch wie das Unkraut in meinem Vorgarten wucherten auch diese Gedanken und wuchsen mir irgendwann über den Kopf … .“ Auf die Frage nach dem Auslöser oder einem besonders prägenden Ereignis antwortet Sabrina nicht sofort, sondern überlegt sehr lange. Dann beginnt sie langsam zu sprechen: „Ich bin an einem 15. geboren. Und es war an einem 15., als ich meine geliebte Großmutter verlor. Sie zog mich groß, war immer für mich da … . Doch im Alter von 17 Jahren, auch wieder eine ungerade Zahl, geriet ich in eine Gruppe falscher Freunde mit schlechtem Einfluss. Meine Oma machte sich immer große Sorgen, wollte, dass ich mich von ihnen lossagte. Wir stritten damals oft und in diesem Jahr starb sie dann an einem Schlaganfall. Das ist jetzt 30 Jahre her, lässt mich aber bis heute nicht los. Alles ungerade Zahlen, die Tage, das Alter, alles. Vielleicht kommt es daher.“ Sabrina holt tief Luft, bevor sie weitererzählt. „Wissen Sie, ich bin ein gläubiger Mensch. Nicht im klassisch religiösen Sinn, aber ich habe das damals als Zeichen des Universums verstanden. Ungerade Zahlen bringen mir Pech, an diesen Tagen geschehen schlimme Dinge. Also fing ich an, Termine oder Besorgungen nur noch auf gerade Datumsangaben zu legen. Sehe ich sogenannte Engelszahlen wie 22:22, 44:44 oder 888 weiß ich, dass die Engel mir eine Botschaft senden und mich beschützen. Bei ungeraden Zahlen fühle ich mich wieder schuldig und so, als hätte ich noch Buße für den Tod meiner Großmutter zu leisten. Es war und ist teilweise immer noch sc

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