Werden Nachbarschaftsstreits immer extremer?

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Jens Lehmann &Co.

Die Schlagzeilen maximal eskalierter Konflikte unter Nachbarn häufen sich. Ein neuer Trend?

Das dürfte derzeit Deutschlands schlimmster Krieg am Gartenzaun sein: Seit Sommer 2016 verzeichnete das Ehepaar W. aus Lübbecke (NRW) mehr als 3000 Übergriffe ihres Nachbarn. Es begann mit lauter Musik, Beleidigungen und zerkratzten Autos. Dann flog Müll, später die Fäuste – und am Ende sogar eine tote Katze über den Zaun. Jetzt soll ein Haftbefehl gegen den Nachbarn für Ruhe sorgen.

Jährlich landen bundesweit rund 10.000 Fälle vor Gericht

Der Dauerstreit aus Lübbecke ist das jüngste Beispiel an eskalierenden Nachbarschaftsstreits, die in den letzten Monaten durch die Medien gingen. So wie der Fall Jens Lehmann: Der WM-Held von 2006 wurde vom Gericht im Dezember zu einer Strafe von 420.000 Euro verdonnert, unter anderem, weil er mit einer Kettensäge den Dachbalken der Garage seines Nachbarn angesägt hatte.

Alles nur Einzelfälle – oder eskalieren Nachbarschaftsstreits heutzutage immer schneller? Tomke Menger, als zertifizierte Mediatorin auf Streitfälle unter Nachbarn spezialisiert, gibt Entwarnung. „Aus meinen Erfahrungen kann ich keinen Trend ableiten, weder in die eine noch die andere Richtung.

In einigen Fällen hilft nur eine Verhandlung

“ Auch dass die Zahl der Streitfälle – im Schnitt landen jährlich und bundesweit rund 10.000 Fälle vor Gericht – in den letzten Jahren z. B. durch die Corona-Pandemie gestiegen ist, sehen weder die Statistik noch die Expertin. „Allerdings spiegeln die Anfragen an mich nur einen kleinen Teil der Streits wider – und insbesondere all diejenigen, bei denen eine Partei noch die Möglichkeit einer einvernehmlichen Lösung sieht“, so die professionelle Streitschlichterin.

Immerhin sind die häufigsten Auslöser oft Lappalien: Lärm, etwa durch laute Musik, Grillgeruch, Unordnung oder übers Grundstück hängende Äste. „Also alles Aspekte, die auf die nachbarschaftliche Rücksichtnahme hinauslaufen“, so Menger. Dass es dann irgendwann knallt, liegt daran, „dass dazu oft unterschiedliche Persönlichkeiten kommen, die sich in ihrem Verhalten ungünstig ergänzen“.

Und genau das macht die Lösung der Konflikte am Ende auch so schwierig. Schließlich muss eine Seite zurückstecken oder idealerweise sollte ein Kompromiss gefunden werden. Und da hilft nur, das Gespräch zu suchen (Tipps dafür: siehe Kasten). Wer anonyme Zettel im Treppenhaus aufhängt oder sich beim Vermieter beschwert, zementiert den Konflikt dagegen nur.

Streit mit dem Nachbarn: Jeder dritte Deutsche (30 Prozent) hat das schon erlebt