Zwischen Lifestyle und Therapie

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Wie wirken herabschauender Hund, Kobra und Krieger auf Körper und Geist? Holger Cramer erforscht die medizinische Wirkung von Yoga seit rund 15 Jahren. Im Interview berichtet er von seinen Erkenntnissen und den Herausforderungen der Yoga-Forschung.

Herr Cramer, Praktizierende preisen Yoga oft als heilsames Wundermittel an, andere halten es für eine überbewertete Modeerscheinung. Wer hat Recht?

Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Yoga ist kein Alleskönner, wirkt aber in erstaunlich vielen und unterschiedlichen Bereichen. Das hat damit zu tun, dass Yoga sehr vielseitig ist. Neben den Asanas – Körperhaltungen wie herabschauender Hund, Kobra oder Krieger – gehören auch die Meditation sowie Konzentrationsübungen, Atemtechniken und Empfehlungen für einen gesunden Lebensstil dazu. Im Westen hat sich die Praxis schon ab Mitte des vergangenen Jahrhunderts ausgebreitet und einen Assimilationsprozess durchlaufen. Es handelt sich also nicht um einen vorübergehenden Trend. Bei uns sind neue Lehren entstanden, die für viele Menschen Teil ihres Lebensstils geworden sind. Inzwischen praktizieren etwa 15 Prozent der Europäer Yoga, in den USA sind es ungefähr genauso viele.

Weshalb kommt eine tausende Jahre alte, orthodoxe indische Philosophie in unserer westlichen Welt so gut an?

Vermutlich, weil Yoga eine Lücke schließt: Ich kann Kontakt zu meinem Körper aufbauen, vielleicht sogar zu mir selbst. Je nachdem, was für Ziele man verfolgt, kann Yoga heute für manche Menschen Sport sein, für andere stehen spirituelle Komponenten wie Sinnsuche im Vordergrund. Und mitunter ist es auch einfach nur eine Möglichkeit, um nach Feierabend abzuschalten.

Was ist Yoga für Sie?

Mit meinem Team untersuche ich Yoga mit naturwissenschaftlichen Methoden aus einer medizinischen Perspektive. Dabei bewege ich mich meist im Bereich des Hatha-Yoga, das hier zu Lande weit verbreitet ist und unterschiedliche Elemente umfasst. Neben den Asanas kommen in der Regel auch Atem- und Entspannungsübungen vor. Ich schaue mir an, ob das therapeutisch oder präventiv wirksam und sicher ist.

Und ist es das?

Das kommt auf die Fragestellung an. Als ich angefangen habe, mich mit Yoga zu beschäftigen, lag mein Fokus auf Schmerzerkrankungen. Während meiner Promotion habe ich eine der ersten Studien zur Wirkung von Yoga auf Nackenschmerzen durchgeführt. Mich hat damals überrascht, dass es dazu viel weniger Forschung gibt als zu Rückenschmerzen, obwohl sie genauso häufig zu Arbeitsausfällen führen und einen ähnlichen Leidensdruck bei den Betroffenen verursachen. Yoga hilft bei beidem – dafür existieren mittlerweile gute Belege. Bei rheumatischen Erkrankungen kann Yoga ebenfalls nützen, da die Bewegungen die Gelenke schonend stimulieren. Es gibt zudem Hinweise darauf, dass Menschen mit Übergewicht, Typ-II-Diabetes und Bluthochdruck profitieren, wahrscheinlich,

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