Das Zeitalter der bösen Überraschungen

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Kommentar

KLIMAWANDEL

Nicht nur eine wärmere Welt, sondern blankes Chaos. Zwei aktuelle Meldungen verdeutlichen, wie unberechenbar der Klimawandel die Zukunft macht. Ein Kommentar von Lars Fischer.

DNY59 / GETTY IMAGES / ISTOCK

Zwei neue Befundeverwandeln die Klimakrise wei neue Befundeverwandeln die Klimakrise von einem abstrakten Konzept in greifbare, gegenwärtige Wirklichkeit. Der eine ist ein symbolischer Wert: Erstmals war laut dem Copernicus-Erdbeobachtungsprogramm der EU die Welt ein ganzes Jahr lang wärmer als 1,5 Grad über der Referenzperiode im 19. Jahrhundert – jener Marke, die als Pariser Klimaziel in die Geschichte eingegangen ist. Der andere verdeutlicht, welche dramatische Folgen sich hinter solchen scheinbar kleinen Zahlen verbergen. Eine Studie in der Fachzeitschrift »Science Advances« legt nahe, dass sich Europas Klima schon bald grundlegend ändern wird, sobald die großräumigen Meeresströmungen im Atlantik zusammenbrechen.

Beides klingt erst einmal nach den inzwischen üblichen generellen Warnungen vor dem Klimawandel. Die gemeldete globale Temperaturanomalie von 1,52 Grad ist nur ein einzelner Jahreswert; die Währung des Klimawandels dagegen sind Mittelwerte über Jahrzehnte.

Und auch die Meldung, dass die Nordatlantische Zirkulation (AMOC) samt unserem Wärme liefernden Golfstrom kippen könnte, kommt alle zwei, drei Jahre mal wieder. Aber die Situation hat sich verändert.

Ein Grund dafür ist die ungewöhnliche Häufung extremer Wetterereignisse im Jahr 2023. Außerordentliche Hitzewellen auf allen Kontinenten, Überschwemmungen im Mittelmeerraum und verheerende Wirbelstürme wie Freddy in Ostafrika, Otis in Mexiko und Mocha in Myanmar sind nur Teil einer langen Liste von Katastrophen, die oft im Schatten weltpolitischer Dramen standen. Eine wärmere Welt ist eine gefährlichere Welt, in der Wetterextreme oft jedes Maß übersteigen und auf die menschliche Infrastruktur und Gesellschaft nicht vorbereitet sind.

Der andere Grund ist, dass manche Fachleute vermuten, die aktuellen Wärmerekorde ließen sich nicht durch den bekannten Erwärmungstrend und natürliche Schwankungen erklären. Womöglich, und das wäre eine wirklich böse Überraschung, treibt ein bisher unbekannter Effekt die globalen Temperaturen zusätzlich in die Höhe. Dafür sprechen vor allem Ausmaß und Dauer der Anomalie. Jeder einzelne Monat seit Juni war der wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen, teilweise mit bemerkenswertem Abstand. So war der Dezember ein halbes Grad wärmer als der vorherige Rekord – eine enorme Spanne bei einem globalen Mittelwert.

Chaos am Horizont

Auffällig und Besorgnis erregend ist vor allem, dass die Weltmeere plötzlich außerordentlich warm sind. In der zweiten Jahreshälfte 2023 lag ihre Temperatur durchschnittlich mehr als 0,3 Grad über den W

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