Zwei junge Forscher stellen die MATHEMATIK auf den Kopf

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VERDICHTETE MATHEMATIK

Das Fach neu aufrollen: Nichts Geringeres haben sich Peter Scholze und Dustin Clausen vorgenommen. Mit dem revolutionären Ansatz der verdichteten Mengen begeistern sie die Fachwelt.

LENHARD / STOCK.ADOBE.COM (ERSTELLT MIT KI)

Das ist falsch«, durchdringt es die Stille. Der Kreidestaub spiegelt sich in den Lichtstrahlen, die sich ihren Weg durch die imposanten Buntglasfenster bahnen. In dem mit dunklen Holzvertäfelungen gesäumten Hörsaal in Bonn heben etwa ein Dutzend Studierende den Kopf und starren an die Leinwand. Quietschend kritzelt der Vortragende dort kryptische Zeichen an eine Tafel – und stockt. Im knapp 800 Kilometer entfernten Kopenhagen kratzt er sich am Kopf und fährt mit seinem Finger das zuletzt Geschriebene entlang.

Manon Bischoff ist Redakteurin für Mathematik und Physik.

»Eigentlich hatte ich mir dazu etwas überlegt …« Wieder hält er inne. Man könnte regelrecht eine Stecknadel fallen hören. In der ersten Reihe sitzt der Störenfried, er ist dem Vortragenden zum Verwechseln ähnlich: Mitte 30, lange, dunkle Haare, große Statur, schlanke Figur. Sie heben sich kaum von den anwesenden Studierenden ab. Und doch sind sie die Professoren – und zudem keine Unbekannten: Dustin Clausen hält die Vorlesung in der Universität Kopenhagen, während Peter Scholze ihm mit den anderen Zuhörern in Bonn aufmerksam lauscht.

»So stimmt es nicht«, sagt Scholze und lehnt sich zurück. Dann platzt es aus ihm heraus, welche Einschränkungen nötig sind, damit Clausens Aussage korrekt wird. Dieser nickt: »Ich muss kurz darüber nachdenken.« Wieder ein paar Momente Stille. »Okay, ich bringe es später in Ordnung«, schließt er und setzt den Vortrag fort: Definition, Satz, Beweis.

Wer erwartet hat, in dieser Mathematik-Vorlesung Zahlen anzutreffen, wird enttäuscht. Über 90 Minuten stellt Clausen grundlegende Konzepte aus der komplexen Analysis vor – ein Thema, das fester Bestandteil des Bachelor-Studiums der Mathematik ist. Die Studierenden wirken allerdings nicht, als hätten sie ihr Studium gerade erst begonnen. Im Gegenteil, viele von ihnen promovieren schon oder sind Postdocs. Tatsächlich verfolgen online auch Professoren den Vortrag.

Der Grund für ihr Interesse: Die Dozenten, Scholze und Clausen, krempeln gerade große Teile der Mathematik um. In der hybriden Vorlesung, die abwechselnd von Scholze in Bonn und Clausen in Kopenhagen gehalten wird, wenden die Forscher ihre Konzepte auf die komplexe Analysis an – und zeigen, wie man mit den neuen Grundbausteinen etablierte Ergebnisse reproduzieren kann.

»Es ist faszinierend, dem Fortschritt zu folgen«, so der Mathematiker Peter Woit in seinem Blog. Die Fachwelt ist mehr als gespannt, was die zwei Wissenschaftler hervorbringen werden. Sie gelten als Hoffnungsträger des abstrakte

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