Klimaschutz kann kein Argument gegen Armutsbekämpfung sein

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Der Weg aus finanziellem Elend braucht Wirtschaftswachstum, und das belastet die Umwelt. Doch wie sehr? Es stellt sich heraus: Wirksame Entwicklungs- und Klimapolitik lassen sich durchaus miteinander vereinbaren.

Michael Springer ist Schriftsteller und Wissenschaftspublizist. Eine Sammlung seiner Einwürfe ist 2019 als Buch unter dem Titel »Lauter Überraschungen. Was die Wissenschaft weitertreibt« erschienen.

Nach Schätzung der Weltbank leben mehr als 700 Millionen Menschen in absoluter Armut, das heißt, sie müssen Tag für Tag mit weniger als 2,15 US-Dollar auskommen. Jede denkbare Initiative, die diesen Skandal wenigstens mildern könnte, ist mit zusätzlicher wirtschaftlicher Aktivität verbunden – und beschleunigt so den Klimawandel. Sind die Menschheitsziele Armutsbekämpfung und Umweltschonung unvereinbar?

Nicht unbedingt. Zumindest müssen die ökologischen Kosten, die durch Beseitigen des globalen Elends anfallen würden, in der künftigen Gesamtbilanz keine große Rolle spielen. Also zieht weder die Ausrede, man müsse Armut der Umwelt zuliebe tolerieren, noch gilt umgekehrt das Argument, Entwicklungspolitik dürfe rücksichtslos vorgehen.

Die Weltbankökonomen Philip Wollburg, Stephane Hallegatte und Daniel Gerszon Mahler haben sich bei einer im November 2023 publizierten Untersuchung auf die Einkommensverteilung in 168 Ländern gestützt, um aus den Daten Szenarien herzuleiten. Sie wollten wissen: Wie viel Wirtschaftswachstum wäre nötig, um die extreme Armut in all diesen Ländern auf unter drei Prozent zu drücken – das heißt nach Weltbankkriterien zu beseitigen?

Selbst wenn die Forscher unterstellten, es werde künftig keine nennenswerten Innovationen hinsichtlich Energiegewinnung und -effizienz geben, kamen sie für das Jahr 2050 auf bloß um knapp fünf Prozent erhöhte jährliche Treibhausgasemissionen gegenüber 2019 – und die Menschheitsgeißel der absoluten Armut wäre besiegt!

Daraus folgt: Klimapolitik und Armutsbekämpfung lassen sich im Prinzip gut unter einen Hut bringen. Manches klappt sogar fast von selbst. Je wohlhabender ein Land wird, desto langsamer wachsen auf Grund modernerer Produktion die Emissionen relativ zum Energieumsatz. Für Indien schätzen die Weltbankforscher, es könnte das Dreiprozentziel der De-facto-Armutsbeseitigung bereits 2027 erreichen. Nigeria hingegen müsste seine Wirtschaft kräftig ankurbeln, um wenigstens 2050 so

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