KARTEN AUF DEN TISCH!

4 min lesen

Wir werden jetzt mutiger, spielen keine Spiele mehr und sind radikal ehrlich: Der neue Datingtrend „Bravehearting“ ist genau das, was wir alle dringend brauchen. Denn damit finden wir schneller jemanden, der uns genauso will, wie wir sind

HAPPY DATING Zufriedene Menschen sind aktiver: Laut einer aktuellen Parship-Studie nutzt jeder dritte Single (32 Prozent), der sich als äußerst glücklich beschreibt, Dating-Apps. Nur elf Prozent der äußerst Glücklichen geben an, keine Beziehung zu suchen
FOTOS: STOCKSY
EIGENTLICH WISSEN WIR: GROSSE GEFÜHLE OHNE RISIKO KANN ES NICHT GEBEN.

Als Lina Thoma die Zahl hört, flackern grellrote Mayday-Meldungen durch ihren Kopf. Ihr gegenüber sitzt Lars und nippt an seinem Gin Tonic. Es ist bereits ihr zweites Date und bislang lief alles vielversprechend. Beide spielen Tennis, diskutieren gerne über Politik und sind sich darüber einig, dass Ananas auf der Pizza ein Verbrechen ist. Ein Mann also, in den sie sich verlieben könnte. Zweifel kommen der Grafikdesignerin erst, als sie in einem Nebensatz Marcs Alter erfährt: „Der Vibe zwischen uns war so gut, dass ich einfach davon ausgegangen bin, dass wir ähnlich alt sind. Tatsächlich trennen uns fast zehn Jahre. Er ist 29, ich 38. Meine erste Reaktion war ‚No thanks‘, der ist in ein paar Wochen eh wieder weg“, erinnert sie sich heute. „Aber dann dachte ich plötzlich: Egal. Ich lasse mich drauf ein. Wer mich betrügen und verlassen möchte, macht das auch, wenn er zehn Jahre älter ist als ich.“

NO RISK, NO LOVE

Eigentlich wissen wir: Große Gefühle ohne Risiko kann es nicht geben. Wer sich nach Verbindung sehnt, muss anderen Menschen mit einem offenen Herzen begegnen, ehrlich sein, sich verletzlich zeigen und einer neuen Liebe eine Chance geben, auch wenn sie auf den ersten Blick nicht perfekt erscheint. Und doch standen die letzten Jahre ganz im Zeichen toxischer Datingtrends wie Breadcrumbing, Ghosting und Benching, an deren Ende kein Happy End, sondern Misstrauen, Enttäuschung und die Angst vor Ablehnung warteten.

Eine, die sich beruflich mit den Beziehungsmustern unserer Zeit beschäftigt, ist Johanna Degen, Paartherapeutin und Sozialpsychologin an der Universität Flensburg. Sie forscht dazu, wie sich die Liebe im digitalen Zeitalter wandelt und was von ihr nach dem Swipen noch übrig bleibt. In einem Interview mit „Der Spiegel“ beschrieb sie die Partner:innensuche kürzlich wie einen Markt, auf dem wir nicht nur kritische Konsumenten sind, sondern uns auch wie eine makellose Ware präsentieren, in der Hoffnung, in einem Überangebot von menschlichen Möglichkeiten doch noch ausgewählt zu werden. Mit absurden Folgen: „Manche sagen uns in Interviews, dass sie beim Sex versuchen, nicht zum Orgasmus zu kommen, weil ihr Gesicht dann so komisch aussehe“, verrät Johanna Degen. Unser

Dieser Artikel ist erschienen in...

Ähnliche Artikel

Ähnliche Artikel