Autos für die Wunderkinder

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Das Wirtschaftswunder ist vor 65 Jahren schneller als der Käfer. Deutschlands Autofahrer wollen mehr Kraft und Komfort, auch mehr Design darf’s sein. Der Vergleich mit den Rivalen zeigt, wie eng es 1959 für den Volkswagen wirklich ist

[ TEXT Christian Steiger FOTOS Frank Ratering ]

Klassik-Vergleich · Fünf Autos der 50er-Jahre

Und plötzlich sind da Sprünge im rosa Glas der Wirtschaftswunder-Brille. Die Deutschen sind vor 65 Jahren gar nicht so glücklich, wie es im verchromten Rückspiegel scheint. Viele hadern mit der jungen Bundesrepublik, Millionen demonstrieren gegen die Aufrüstung, und das Lachen in den Kinos klingt manchmal bitter. Nicht mehr die süßlichen Heimatfilme der frühen 50er-Jahre füllen die Lichtspielhäuser, sondern herbe Stoffe wie „Das Mädchen Rosemarie“ oder „Rosen für den Staatsanwalt“, die von skrupelloser Raffgier, Doppelmoral und dem rasanten Wiederaufstieg alter Nazis handeln.

Auch mit ihren Autos haben die Wunderkinder keine Geduld mehr. Nicht einmal der Käfer ist noch heilig, obwohl Wolfsburg gerade das dreimillionste Exemplar unters Volk gebracht hat. Wer einen VW 1200 Export haben will, muss mehrere Monate lang auf ihn warten. Aber oft ist es ein Warten ohne Begeisterung, weil der Wagen dem Volk plötzlich zu altbacken vorkommt.

Erste Kritik am Käfer wird schnell abgewiegelt

Wer heute in einen Volkswagen von 1959 steigt, wird es nicht mehr verstehen. Denn genau das, was Nostalgiker am Käfer lieben, macht damals die Schlagzeilen fett. „Ist der VW veraltet?“, fragt der „Stern“, und „Hobby“ legt nach: „Muss der VW so sein?“ Die Redakteure des „Spiegel“ fahren nach Wolfsburg, um VW-Chef Heinrich Nordhoff im Interview zu grillen: Wie kann es sein, dass der Volkswagen noch immer übersteuernd durch die Kurven kreiselt, altmodische Trittbretter und keinen vernünftigen Kofferraum hat? Und was ist mit der Seitenwindempfindlichkeit? Doch Nordhoff antwortet meist mit nonchalanten Sätzen wie diesem: „Wenn man weiß, dass es ein windiger Tag ist, achtet man darauf.“

Der Käfer von 1959 ist der letzte, der nicht gegen ernste Konkurrenz kämpfen muss. Das ändert sich im September auf der Frankfurter IAA, wo er noch immer ohne Benzinuhr steht mit vorsintflutlichen Winkern und dem 30-PS-Motor, der seine neuen Rivalen gnadenlos vorbeiziehen lässt. Wer heute in so einen 65-jährigen Export-Käfer steigt, ist erst einmal erstaunt, wie tapfer er im Verkehr der Gegenwart mitschwimmt. Bis ihm auffällt, dass er fast ständig das Gaspedal in die Au

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