Die Frau, die uns am nächsten steht

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Unsere Mutter hält uns als erste im Arm, ist Versorgerin, starke Schulter, Ratgeberin, beste Freundin und manchmal der Grund für lebenslange Reibung. Doris Laue (55) erzählt, was sie von ihrer Mutter erfahren durfte und heute an ihre Tochter weitergibt

INNIG VERBUNDEN Doris Laue (55) und ihre Tochter Katharina (30) sind sich nicht nur optisch ähnlich. Sie begleiten sich auch durch alle Höhen und Tiefen des Lebens

Wir spürten immer, wie es uns ging. Über Distanzen hinweg. Auch wenn unser Verhältnis nicht immer leicht war, gab es diese besondere Wahrnehmung zwischen Mama und mir. Und dieselbe Intensität erlebe ich, seit meine Tochter Katharina (heute 30) auf der Welt ist. Wenn auch auf eine andere Art. Mütter werden von der Zeit geprägt, in der sie aufwachsen, manche können ihre Liebe besser zeigen, manchen weniger. Aber sie ist immer da. Und manchmal ist das enge Band Auslöser für Unerklärliches.

Kurz bevor Mama starb, sah ich eine Sternschnuppe und wusste, dass es Zeit war, mich zu verabschieden. Sie war 62, hatte Krebs im Endstadium, und ich fühlte, dass sie sich nur schwer vom Leben trennen konnte. Oder von mir. Ein halbes Jahr lang fuhr ich mehrmals täglich zu ihr nach Hause, um sie zu versorgen. An jenem Abend sah ich dieses unwirkliche Leuchten, ging zu Mama und sagte: „Du kannst jetzt gehen.“ Mir war klar, dass wir beide loslassen mussten. Kurz danach ist sie für immer eingeschlafen.

Mama konnte sehr hart sein. Heute weiß ich, warum

Obwohl ich noch zwei Brüder habe, hatte ich immer das Gefühl, dass das Verhältnis von Mama und mir etwas Besonderes war. Sie war mein Vorbild. Eine auffallend hübsche Frau, die überall, wo sie auftauchte, die Blicke auf sich zog. Mama war gelernte Schneiderin und strahlte eine lebensbejahende Stärke aus. Durch nichts und niemanden ließ sie sich aufhalten. Was sie anpackte, tat sie mit Energie. Unermüdlich sorgte sie tagsüber für uns und schneiderte nachts für Nachbarn schicke Sachen …

Aber meine Mutter hatte auch eine andere Seite. Einen Satz wie „Ich hab’ dich lieb“ habe ich nie gehört. Auch mit körperlicher Nähe tat sie sich schwer. Als Kind litt ich darunter. Ich versuchte, alles richtig zu machen, erntete aber wenig Anerkennung. Heute weiß ich, warum Mama so hart sein konnte. Sie wurde mitten im Krieg geboren. Ihr Vater war im Krieg gefallen, und sie wuchs mit einem lieblosen Stiefvater und einer überforderten Mutter auf. Sich mit einem Panzer zu umgeben, war eine Überlebensstrategie, die sie mit vielen Menschen der Kriegsge-neration teilt. Auch mein Vater trug einen Rucksack voll Altlasten mit sich herum und war emotional kaum anwesend. Er starb kurz nach meiner Mutter.

Mit ihren Enkeln ging Mama überaus liebevoll um

Nach der Schule entschied ich

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