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GEKIPPTE EU-PESTIZIDVERORDNUNG

Pestizide haben Europas Umwelt in die Krise geführ t, trotzdem sägt die EU ihre Pestizidverordnung ab. Zu groß die Angst vor Bauern und Rechten, analysier t Thomas Krumenacker.

FOTOKOSTIC / GETTY IMAGES / ISTOCK

Thomas Krumenacker ist Journalist und Naturfotograf. Er lebt in Berlin und berichtet besonders gern über Naturschutz, Biodiversität und Themen rund um Vögel.

Ist ihr diese Niederlage einfach nur peinlich? Oder am Ende doch nicht wichtig genug? Jedenfalls verkündete Ursula von der Leyen das Aus für die EU-Pestizidrichtlinie, die vielleicht wichtigste umweltpolitische Initiative ihrer Präsidentschaft, geradezu beiläufig. Als vorletzten Punkt ihrer Rede vor den EU-Parlamentariern am 6. Februar 2024 in Straßburg teilte sie mit, ihre Kommission habe die Richtlinie seinerzeit als »ehrenwertes Ziel« vorgeschlagen, um die Risiken des Pestizideinsatzes für Mensch und Natur zu reduzieren. Jetzt aber sei der über Monate von ihrer eigenen Parteienfamilie und den Verbänden der Agrarwirtschaft bekämpfte Vorschlag zum Symbol der Polarisierung geworden: abgelehnt vom Europäischen Parlament, ohne Unterstützung in den Mitgliedstaaten und bei Bauernprotesten kritisiert. »Unsere Landwirte verdienen es, dass man ihnen zuhört.« Deshalb werde sie diesen Vorschlag zurückziehen.

Maximal unprätentiös beerdigte die sonst vor Pathos sprühende Kommissionschefin den aus Naturschutzperspektive wohl wichtigsten Teil des Europäischen Green Deals. Also jenes Programms, das sie bei seiner Vorstellung noch als historischen »Mann-auf-dem-Mond-Moment« bezeichnet hatte: der dringend nötige ökologische und klimagerechte Umbau Europas.

Vier Jahre und zwei Monate später endet das Projekt mit einer Bruchlandung. Denn das Scheitern der Pestizidverordnung ist in seinen ökologischen Auswirkungen kaum zu überschätzen. Und es ist nur der letzte Tiefpunkt einer Serie von Niederlagen für die ambitioniert gestartete Umweltpolitik von der Leyens: Offenbar aus Furcht vor weiteren Bauernprotesten und einem weiteren Erstarken rechtspopulistischer Parteien bei den bevorstehenden Wahlen zum Europaparlament gibt die EU-Kommission Stück für Stück zentrale Bausteine ihrer Naturschutzpolitik auf. Nicht einmal auf die Unterstützung Berlins kann sie noch zählen. Die Ampelregierung mit ihrer wenig geschlossenen Haltung zieht kaum noch mit bei der Umsetzung ambitionierter europäischer Umweltziele.

»Ehrenwert« war das Ziel der auch SUR (Sustainable Use Regulation) benannten Pestizidrichtlinie tatsächlich: Die »Verordnung über die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln« sollte die Wende in der sich immer weiter zuspitzenden Biodiversitätskrise herbeiführen, indem der Einsatz chemischer Insekten- und Pflanzenschutzmittel bis 2030 per Gesetz halbiert wird. Die Verordnung war zugleich ein Eck

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