»WIR SOLLTEN DIE MODERNE TECHNIK NUTZEN«

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Biolandbau-Vordenker Urs Niggli erklärt im Interview, warum auch Bio Gentechnik braucht. Außerdem sieht er die konventionelle Landwirtschaft als entscheidender für eine nachhaltige Welternährung an.

Frederik Jötten ist Biologe und lebt als Journalist in Frankfurt am Main.
MICHELANGELOOP / STOCK.ADOBE.COM

Die EU plant, Techniken wie CRISPR-Cas von den strengen Einschränkungen für Grüne Gentechnik zu befreien, sofern die veränderten Pflanzen von natürlich entstandenen nicht zu unterscheiden sind.

Umweltverbände und Öko-Landwirtschaft kritisieren den Plan. Doch Urs Niggli, Agrarwissenschaftler und langjähriger Spiritus Rector des biologischen Landbaus, widerspricht dem. Im Interview erklärt er, weshalb der klassische Biolandbau sogar aufpassen muss, nicht seine Vorreiterstellung bei der Nachhaltigkeit zu verlieren.

»Spektrum.de«: Wie stehen Sie als Pionier des Biolandbaus zum Entwurf der EU-Kommission zur neuen Gentechnik, dem zufolge deren Anwendung künftig erleichtert werden soll?

Urs Niggli: Ich bin in erster Linie Agrarwissenschaftler – und befürworte den Entwurf. Mit der Genomeditierung können Sorten erzeugt werden, die sich nicht von solchen unterscheiden, die mit der herkömmlichen Kreuzungszucht entstanden sind. Wenn man also diese neue Technik ablehnt, dann stellt man den technischen Prozess der Züchtung über die Qualität und den Nutzen des Endprodukts.

Die Biobranche bekämpft die neue Gentechnik genauso wie die schon lange eingesetzte.

Das ist ein Fetisch. Die alte Grüne Gentechnik basierte darauf, dass im Labor künstlich zusammengesetzte Erbgutfragmente – oft aus fremden Arten – an zufälliger Stelle ins Pflanzengenom eingeschleust wurden. CRISPR-Cas9 dagegen führt zu gezielten Mutationen an einzelnen Stellen des Erbguts, wie das auch in der Natur ständig passiert oder auch wie sie der Mensch seit 50 Jahren auf ziemlich primitive Weise mit Chemie oder Bestrahlung auslöst. Alle unsere Kultursorten basieren auf solchen Mutationen. Die modernen Züchtungsmethoden mittels Genschere sind deshalb ein großer Fortschritt. Die Risiken sind jedenfalls geringer, und es ist gut, wenn wir endlich die Chancen und Potenziale diskutieren. Einerseits sind die Eingriffe weniger tief, die Veränderungen kommen auch in der Natur vor, und andererseits ist der züchterische Fortschritt viel rascher. Für die Landwirtschaft und die Gesellschaft gibt das viele Vorteile.

Will die Biobranche damit womöglich vor allem das werbewirksame Label »gentechnikfrei« erhalten?

Ja, die Bioverbände kämpfen im Moment Seite an Seite mit den NGOs in Brüssel gegen die Verordnung. Ihre Sichtweise auf die Gentechnik ist veraltet, aber mittlerweile ist »gentechnikfrei« ein politisches und ein Verkaufsargument. Die Bioverbände halten ganz gezielt die Angst vor molekularbiologischen Züch

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