VON BIERBRAUERINNEN, WIRTINNEN UND BETRUNKENEN GÖTTERN

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MESOPOTAMIEN

Die ersten Bierbrauer waren weiblich. Das zeigen überlieferte Texte und spezielle Gefäße aus Mesopotamien. Sogar die Göttin des Bieres hatte die Gestalt einer Frau.

Dagmar Schediwy ist promovierte Psychologin und schreibt am liebsten über Sozial- und Genderthemen in der Archäologie. Sie lebt in Berlin.
STAATLICHE MUSEEN ZU BERLIN, VORDERASIATISCHES MUSEUM / OLAF M.TESSMER / TRINKSZENE / CC BY-SA 4.0

Bier brauen und Bier trinken wird heutzutage als männliche Domäne begriffen. Nur vereinzelt gibt es Berichte über Braumeisterinnen in großen Betrieben. Und obwohl sich zunehmend Frauen an der modernen Craftbeer-Bewegung beteiligen, scheinen die meisten dem Gerstensaft doch Wein oder Sekt vorzuziehen. Dabei hat der Beruf der Bierbrauerin eine überraschend lange Tradition. Sie begann schon im alten Mesopotamien.

Das Land zwischen Euphrat und Tigris kann zu Recht als Geburtsort des Biers angesehen werden. Typische Rückstände, die für die Aufbewahrung des alkoholischen Getränks sprechen, entdeckten Archäologen schon in der auf die frühe Jungsteinzeit datierten nordmesopotamischen Ausgrabungsstätte Göbekli Tepe nahe der Stadt Şanlıurfa in der heutigen Türkei. In Uruk in Südmesopotamien kannte man vor mehr als 5000 Jahren bereits neun Biersorten: darunter goldenes, dunkles, süß-dunkles, rotes und gefiltertes Bier.

Die Beliebtheit des Getränks hing nicht nur mit seinen berauschenden Eigenschaften zusammen. Es war in der Hitze ein willkommener Durstlöscher und im Gegensatz zu Wasser wegen seines sauren Milieus frei von Keimen. Dazu war es nahrhaft und mit vielen gesunden Vitaminen und Spurenelementen angereichert. Dadurch avancierte Bier zu einem Grundnahrungsmittel. Je nach Anlass wurde es mit niedrigem oder hohem Alkoholgehalt serviert. So enthielten die Biere für Arbeitende wahrscheinlich weniger Alkohol, während es bei Festen gerne hochprozentiger sein durfte. Woher man das weiß? Unzählige überlieferte Texte zeugen von der Bedeutung des Gerstensafts im Zweistromland zu dieser Zeit – und davon, dass das Bierbrauen Sache der Frauen war.

Im »Codex Hammurabi«, einer der ältesten Gesetzessammlungen derWelt, gibt es drei Textstellen, die vom Bierbrauen handeln. In allen ist laut Historiker Lance Allred von der Johns Hopkins University explizit von Bierbrauerinnen die Rede. Dasselbe gilt für die Gesetze, die man in der Stadt Ešnunna in der nordsumerischen Diyala-Region gefunden hat. Auch hier beziehen sich die Verordnungen zur Bierherstellung ausschließlich auf Frauen. Im Gilgamesch-Epos, das im angehenden 2. Jahrtausend v. Chr. entstand, begegnet der Held auf seiner Suche nach Unsterblichkeit am Ende der Welt ebenfalls einer Frau, die sich aufs Bierbrauen versteht. Zahlreich sind die Mythen, die sich um Bier trinkende mesopotamische Göttinnen und Götter ranken. Be

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