DIE WAHRE GESCHICHTE VOM PFEILSTORCH

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VOGELZUG

Am 21. Mai 1822 wurde in Mecklenburg an der Ostsee ein besonderer Weißstorch erlegt. Dank ihm war der Beweis für den Vogelzug nach Afrika und zurück erbracht.

Hakan Baykal ist Wissenschaftsjournalist in Alfeld (Leine).

SENCKENBERG, FOTO: KÖPCKE/WEINHOLD; MAHR, S., MÜLLER, T., WALKER, B. (HRSG.): SENCKENBERGS VERBORGENE SCHÄTZE – ÜBER DAS SAMMELN UND FORSCHEN. SENCKENBERG GESELLSCHAFT FÜR NATURFORSCHUNG. KLEINE SENCKENBERG-REIHE 56, 2015, SEITE 35

Im Frühjahr 1822 erregte ein sonderbarer Weißstorch in der Nähe von Klütz, einem zwischen Lübeck und Wismar an der Ostsee gelegenen Städtchen, einiges an Aufsehen. Auf einem »den Hrn. Grafen zu Bothmer gehörigen Gute«, so berichtete später das »Freimüthige Abendblatt«, sei zu jener Zeit ein Storch aufgetaucht, »mit einem dünnen über zwei Fuß langen Stocke am Halse, der senkrecht herunterhing und ihn zwar weder im Fliegen noch in seinen sonstigen Bewegungen zu hindern schien, aber von dem die übrigen Störche durch Schnäbelung und Ziehen, wiewohl vergeblich, ihn zu befreien suchten«. Ein paar Tage oder Wochen lang konnten Schaulustige das Tier bestaunen und über die Natur des 80 Zentimeter langen Stocks an seinem Hals sinnieren, dann hatte das Rätseln ein Ende, wie die Zeitung vermerkt: »Er wurde zur Befriedigung der allgemein erregten Neugier endlich am 21sten Mai d. J. dort geschossen.«

Erlegt hatte den Vogel der Gutsbesitzer Christian Ludwig Reichsgraf von Bothmer (1773–1848), doch als dem Landesherrn gebührte die Trophäe Großherzog Friedrich Franz I. von Mecklenburg-Schwerin (1756–1837). Dieser, ein aufgeklärter Monarch und Förderer der Wissenschaften, ließ den Storch mitsamt dem Stock in seinen eigenen Werkstätten unter akademischer Aufsicht präparieren und schenkte ihn der Zoologischen Sammlung der Universität zu Rostock. Dort machte sich umgehend der Arzt und Botaniker Heinrich Gustav Flörke (1764– 1835) an die wissenschaftliche Untersuchung des kurios verletzten und nunmehr ausgestopften Vogels. »Das merkwürdige an diesem Storch ist ein hölzerner, mit breiter eiserner Spitze versehener Pfeil, der dem Thier an der rechten Seite des Halses unter der Haut steckt und unten und oben weit aus dem Körper hervor ragt«, hielt der Professor für Botanik und Naturgeschichte an der Universität Rostock fest. »Da die eiserne Spitze oben eingeklemmt und mit Sehnen an dem Ende des Pfeils befestigt ist, so lässt sich auf ein sehr entferntes Winterquartier schließen, wo dieser Storch den Schuss erhalten hat.«

Der Pfeil sei überdies »aus sehr feinaderigem tropischen Holze«, merkte der Botaniker in seinem ersten, an den Rektor seiner Universität gerichteten Bericht vom August 1822 noch an, ging aber nicht weiter auf den wahrscheinlichen Herkunftsort des Geschosses ein. Wenige Wochen später versuchte Flörke in einem ausf�

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