EINE UNERWARTETE REISE

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ELEFANTEN

Über ein Jahr lang irrte eine Herde Elefanten durch China. Die Behörden schützten ihre Wanderung mit enormem Einsatz. Doch für den Schutz der Tiere ist auch langfristiges Engagement nötig.

Ralf Stork arbeitet als Naturjournalist und Buchautor in Berlin. Einmal im Monat erscheint auf »Spektrum.de« seine Kolumne »Storks Spezialfutter«.

APPFIND / GETTY IMAGES / ISTOCK

Im März 2020 machten sich 16 Asiatische Elefanten in der Provinz Yunnan ganz im Süden Chinas aus ihrem angestammten Naturreservat auf zu einer Wanderung, die sie in Richtung Norden bis an die Ränder der 500 Kilometer entfernten Millionenstadt Kunming führte. Auf ihrer Reise liefen sie durch Dörfer und Städte, fraßen sich durch Plantagen, verwüsteten Häuser und Gärten und richteten dabei einen Schaden in Millionenhöhe an. Mehr als 400 »Zwischenfälle« dokumentierten offizielle Stellen.

Dass bei den zahlreichen Begegnungen keine Menschen zu Schaden gekommen sind – und auch keine Elefanten –, liegt an dem gigantischen Betreuerstab, von dem die Herde begleitet worden ist: Mit knapp 1000 Drohneneinsätzen wurde der genaue Standort der Tiere verfolgt. Dadurch konnte die Bevölkerung in den nahe gelegenen Siedlungen gewarnt werden. Nach staatlichen chinesischen Medienberichten haben 150 000 Menschen ihre Häuser wegen der Elefanten zumindest kurzzeitig geräumt.

Ein gigantischer mobiler Schutzraum

25 000 Polizisten und 15 000 Fahrzeuge haben am Ende dabei geholfen, ein Zusammentreffen von Menschen und Tieren zu verhindern und die Herde schließlich wieder nach Süden laufen zu lassen. Als die Herde Richtung Kunming losmarschiert, versperren quer gestellte Lkw ihnen den Weg. Mit Zuckerrohr und Ananas und noch mehr Lastern wurden die Elefanten schließlich wieder in südliche Richtung geleitet und gelockt und irgendwann auch über die einzige geeignete Brücke, die zwischen ihnen und ihrem angestammten Naturreservat liegt.

Die Drohnen lieferten nebenbei auch intime Einblicke in das Leben der Herde: Man sieht, wie ein erwachsener Elefant einem Jungtier hilft, das in den Straßengraben gefallen ist – zwei Kälber wurden unterwegs geboren. Man sieht, wie die Tiere im Schlamm baden, gierig aus einem Wasserreservoir trinken oder über einen schmalen Berggrat wandern. Ein Bild, das um die Welt ging, zeigt mehrere Tiere der Herde, die flach ausgestreckt auf dem Boden liegen und schlafen.

Für Elefanten ist das ein eher ungewöhnliches Verhalten: Die Tiere sind so schwer, dass sie bei Gefahr Mühe hätten, schnell wieder auf die Beine zu kommen. Im Liegen sind auch Herz und Lungen großen Belastungen ausgesetzt. Deshalb schlafen erwachsene Tiere meistens im Stehen. Die Aufnahmen, die für viele Betrachter herzergreifend niedlich sind, könnten daher auch Ausdruck des großen Stresses sein, dem die Elefanten ausgesetzt sind: Die dicht

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