WIE VÖGEL DAS MAGNETFELD IM AUGE BEHALTEN

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QUANTENEFFEKT

Der Magnetkompass der Vögel sitzt im Auge, doch der eigentliche Sensor ist ein licht- und magnetempfindliches Molekül. Dank Quantenmechanik weist es die Richtung.

Roland Knauer ist Wissenschaftsjournalist in Lehnin.

CORINNA LANGEBRAKE (ILLUSTRATION) UND ILIA SOLOV′YOV, UNIVERSITÄT OLDENBURG

Viele Rotkehlchen bleiben den ganzen Winter über ihrem Standort treu, doch für jene, die in ein Winterquartier ziehen, ist die oft tausende Kilometer lange Reise alles andere als einfach. Während junge Kraniche, Gänse oder Enten gemeinsam mit den Alttieren abfliegen, zeigt bei den kleineren Arten niemand den Jungtieren den Weg. Dass sie trotzdem am Ziel ankommen, verdanken sie unter anderem einem groben Flugplan im Erbgut. Er schlägt ihnen zum Beispiel aus Mitteleuropa kommend einen dreiwöchigen Flug nach Südwesten vor, an den sich zwei Wochen Richtung Südsüdost anschließen. Auf dieser Route landen sie zwangsweise irgendwo im westlichen Nordafrika, und das ist schließlich genau dort, wo sie und viele andere Vögel überwintern.

Das klappt allerdings nur mit einem Wegweiser, der den nächtlichen Fliegern selbst bei geschlossener Wolkendecke die korrekte Richtung anzeigt: einem Magnetkompass. Aber wie funktioniert er?

»Das ist ein großes Rätsel«, sagt der Zoologe Eric Warrant von der Universität im schwedischen Lund, »die Wahrnehmung von Magnetfeldern ist im Grunde der letzte verbliebene Sinn, den wir nicht verstanden haben.«

Nun aber gibt es womöglich entscheidende Fortschritte zu vermelden. Dass der Magnetsinn der Vögel in ihrem Auge zu sitzen scheint, fand der Biologe Henrik Mouritsen von der Universität Oldenburg bereits 2009 heraus. Sehr wahrscheinlich, schreiben nun Mouritsen, seine Mitarbeiterin Jingjing Xu und ein internationales Team von Forscherinnen und Forschern im Fachblatt »Nature«, spielt dabei ein komplexes quantenphysikalisches Phänomen in einem Biomolekül die Schlüsselrolle: die zappelnden Spins zweier Elektronen.

Ein Sinn braucht Beleuchtung

Den ersten Hinweis darauf, dass der Magnetkompass im Auge sitzen könnte, lieferte eine verblüffende Beobachtung: Vögel können sich anscheinend nur dann am Magnetfeld orientieren, wenn gleichzeitig zumindest schwaches Licht im blauen oder grünen Bereich des Spektrums vorhanden ist. Dafür genügt bereits das diffuse Licht des wolkenverhangenen Nachthimmels. Deckt man die Augen ab oder beleuchtet sie ausschließlich mit schwachem Rotlicht, streikt der Kompass. Schon Ende der 1970er Jahre kamen Forscher auf die Idee, dass ein bestimmter quantenmechanischer Effekt dahinterstecken könnte. Doch dieses Phänomen zu beobachten, überstieg die technischen Möglichkeiten der Zeit bei Weitem.

Nun aber untersuchte das Team um Mouritsen in der Netzhaut verschiedener Vögel ein Protein, das Fachleute in ähnl

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