ÜBERRASCHEND FEINES NÄSCHEN

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VÖGEL

Ob zur Orientierung auf dem Flug über Ozeane, bei der Brutpflege oder um Feinde in die Irre zu führen: Vögel haben einen ausgeprägten Geruchssinn und nutzen Chemosignale in einem viel größeren Ausmaß als früher angenommen.

Thomas Krumenacker ist Journalist und Naturfotograf. Er lebt in Berlin und berichtet besonders gern über Naturschutz, Biodiversität und Themen rund um Vögel.

THOMAS KRUMENACKER

Für Atlantische Lachse und Meeresschildkröten lautet die Devise: immer der Nase nach! Duftspuren weisen ihnen den tausende Kilometer langen Weg aus den Weltmeeren in ihre Laichgewässer oder an ihre Geburtsstrände. Und Vögel? Für sie gilt das auch –wie immer mehr wissenschaftliche Untersuchungen zeigen. Und nicht nur zur Orientierung nutzen Vögel ihre Nase. Sie riechen Nahrung, wittern Gefahr und sie produzieren sogar Geruchsstoffe, um Partner anzulocken oder natürliche Feinde abzuschrecken und so ihren Nachwuchs zu schützen.

Lange Zeit wurde der Bedeutung ihres Geruchssinns nur wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Das mag auch daran liegen, dass bei vielen Gefiederten andere Sinneskanäle sehr auffällig sind. Im Verhältnis zum gesamten Körper haben etwa Greifvögel mit die größten Augen aller Landwirbeltiere – nur übertroffen von Fröschen. Falken, Bussarde und Adler können Beute von der Größe eines kleinen Nagers aus einer Entfernung von weit mehr als einem Kilometer zielsicher ins Visier nehmen. Ihre exzellente Sehfähigkeit ist mit dem sprichwörtlichen Adlerauge sogar in unseren Wortschatz eingegangen. Und auch ihr Gehör – allen voran das von Eulen – ist legendär, auch wenn das nicht unbedingt den Anschein hat. Denn statt eines ausgeprägten Außenohrs bündeln die Federn des Gesichtsschleiers den Schall.

Während es zu diesen Wahrnehmungsleistungen von Vögeln, inklusive ihres beeindruckenden Magnetsinns, seit vielen Jahrzehnten Forschung gibt, rückt die enorme Bedeutung ihres Geruchssinns erst seit neuerer Zeit in den Fokus der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit. Inzwischen sind aber viele Expertinnen und Experten davon überzeugt, dass ihr feines Näschen für das Überleben der Tiere unverzichtbar ist.

Wie selbstverständlich und dem Auge ebenbürtig der Einsatz des Geruchssinns für Vögel ist, zeigt eine 2022 veröffentlichte Untersuchung von Fachleuten der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Sie belegt, dass die Gefiederten sich ihre Nase selbst dort zu Nutze machen, wo sie jeden Baum und jeden Strauch kennen und sich eigentlich voll auf ihre Augen verlassen könnten: in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld. Um die Rolle von Chemosignalen bei der Navigation im Nahbereich zu testen, richteten die Forschenden eine Futterstelle für Kohlmeisen ein.

Dann fingen sie einige der Meisen und dämpften bei einem Teil von ihnen den Geruchssinn kurzfristig mit Zinksulfat. Dana

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