MASSAKER AM MARKTTAG

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SPANIEN

Die kleine Stadt quoll über vor Waren und Tieren, doch die Angreifer hatten es auf Vernichtung angelegt. Die Spuren des verheerenden Gemetzels finden sich noch heute in der Erde.

Hakan Baykal ist Wissenschaftsjournalist in Alfeld (Leine).
TERESA FERNÁNDEZ-CRESPO; FERNÁNDEZ-CRESPO, T. ET AL.: MAKE A DESERT AND CALL IT PEACE: MASSACRE AT THE IBERIAN IRON AGE VILLAGE OF LA HOYA. ANTIQUITY 94, 2020, FIG. 5A

Noch Jahrtausende nachdem sie niedergemetzelt worden waren, lagen die Überreste der Toten in den Straßen und den Häusern ihres Dorfs. Und ein Gemetzel war es in der Tat, was in der Eisenzeit auf dem Gelände der nordspanischen Ausgrabungsstätte La Hoya geschah. Ein gutes Dutzend der Dorfbewohner wurde mitsamt seinen Tieren erschlagen, erstochen, verstümmelt –Männer, Frauen und Kinder. Einen der Männer stach ein Angreifer wohl von hinten nieder, einem anderen wurde der Kopf abgehackt, wieder einem anderen ein Arm. Das gleiche grausame Schicksal ereilte eine Frau, deren übriges Skelett fast drei Meter von den Knochen ihres rechten Arms entfernt gefunden wurde. Offenbar hatte sie noch im Todeskampf versucht zu entkommen.

Entdeckt wurde der Ort ihres schrecklichen Todes, La Hoya im fruchtbaren Tal des Ebro, bereits 1935. Erste Ausgrabungen an der Stätte in der zum spanischen Baskenland gehörenden Provinz Álava gab es jedoch erst zwischen 1973 und 1990. Bis heute sind keine 16 Prozent des insgesamt etwa vier Hektar umfassenden Areals erforscht. Aktuell finden keine Grabungen statt, und es scheinen auch in naher Zukunft keine geplant. Dennoch konnten Archäologen bereits einige Erkenntnisse gewinnen. Die frühesten Spuren der Besiedlung La Hoyas stammen aus dem 15. Jahrhundert v. Chr. und damit aus der Bronzezeit. Seine größte Ausdehnung erreichte der Ort während der Eisenzeit zwischen 350 und 200 v. Chr. , als die Region vom keltiberischen Stamm der Beronen bevölkert wurde. Zu jener Zeit, in der auch der brutale Überfall stattfand, hatte das Dorf fast schon urbane Dimensionen angenommen: An bis zu fünfeinhalb Meter breiten, gepflasterten und von Gehwegen gesäumten Straßen und öffentlichen Plätzen standen mehr als 300 Gebäude, in denen sich neben Wohnräumen auch Läden und Gemeinschaftseinrichtungen für die geschätzt 1500 Einwohner befanden.

Die ungewöhnlich geschundenen und verstümmelten Skelette der Dorfbewohner waren den Archäologen bereits während der Ausgrabungsarbeiten aufgefallen. Doch erst jetzt hat ein spanisch-britisches Team unter der Leitung der Archäologin Teresa Fernández-Crespo von der University of Oxford die menschlichen Überreste einer gründlichen Knochenanalyse unterzogen. Insgesamt standen den Wissenschaftlern 13 teils komplette, teils nur in Fragmenten erhaltene Skelette zur Verfügung, die auf dem bislang erforschten Gelände zu Tage gefördert worden waren. Dabei handelte es sich um die

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