EIN LABOR FÜR DIE RAUMZEIT

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VERSCHRÄNKTE QUANTENSYSTEME

Möglicherweise entsteht das Gefüge von Raum und Zeit aus einer Art Quantenverschränkung. Einige solcher theoretischen Konstrukte sollen sich jetzt in die Realität übersetzen lassen – mit kalten Atomen und deren Wechselwirkungen.

PITRIS / GETTY IMAGES / ISTOCK

Die Aussichten, eine Theorie der Quantengravitation auf direkte Weise zu überprüfen, stehen schlecht – vorsichtig formuliert. Man bräuchte etwa einen Teilchenbeschleuniger mit galaktischen Ausmaßen, um zu jenen Energieskalen vorzudringen, auf denen sich eine quantisierte Schwerkraft bemerkbar machen würde. Oder nehmen wir Schwarze Löcher: Bei den Singularitäten in ihrem Inneren bricht die klassische Physik zusammen, aber wir können in kein Exemplar hineinschauen und untersuchen, was dort passiert. Ein drittes Beispiel für das Wirken der Quantengravitation sind die extremen Bedingungen in den ersten Momenten des Urknalls. Doch auf sie lässt sich heute nur noch mittels subtiler Signale zurückschließen, die sich dem All erst viel später aufgeprägt haben.

In einem Labor in der Nähe des kalifornischen Palo Alto verfolgt Monika Schleier-Smith, Professorin an der Stanford University, einen anderen Ansatz.

Seit mehr als einem Jahrzehnt gibt es Ideen, denen zufolge die Schwerkraft – und sogar die Raumzeit selbst – aus der seltsamen quantenmechanischen Eigenschaft der Verschränkung hervorgehen könnte. Schleier-Smith will das überprüfen und mit hochgradig verschränkten Quantensystemen etwas erzeugen, das sich so verhält wie die verzerrte Raumzeit aus Albert Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie.

In einerVeröffentlichungvom Juni 2021 skizzierte ihr Team den ersten experimentellen Schritt auf dem Weg dorthin. Dabei werden Atome von Lasern sowie durch Magnetfelder festgehalten, präzise positioniert und miteinander verknüpft. Wenn alles richtig eingestellt ist, ähneln die Korrelationen in dem System einfachen Modellen für die Raumzeit. Darauf aufbauend möchte Schleier-Smith Analogien zu komplexeren Geometrien wie denen von Schwarzen Löchern konstruieren.

Das fünf Jahrzehnte alte Standardmodell der Teilchenphysik hat trotz aller Erfolge Schwächen. Es schließt die Schwerkraft nicht ein, ebenso kann es weder die Dunkle Materie noch die Dunkle Energie erklären, und es sagt außerdem nicht die Masse von Neutrinos voraus. Ohnehin wird das Standardmodell jenseits einer bestimmten Schwelle extrem hoher Energie unbrauchbar. Lange galt die Stringtheorie als viel versprechender möglicher Nachfolger, doch ihr wird vorgeworfen, sie liefere keine überprüf baren Vorhersagen. Eine ihrer seltsamsten Eigenschaften könnte aber eine Chance bieten, manche Ideen einem Test zu unterziehen.

Adam Becker ist promovierter Physiker und Wissenschaftsjournalist im kalifornischen Berkeley.

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