FRAU MUSIALS Gespür fürs Leben

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Trotzdem und gerade weil sie MS hat, bricht Frauke Musial (60) 2011 alle Zelte ab und zieht in den Norden Norwegens, in die Arktis

FREIHEIT, SCHWERE-LOSIGKEIT, GLÜCK Frauke Musial findet all das hier in der Arktis, ihrer neuen Heimat
PFERDE SIND MEINE BEINE GEWORDEN, sagt Frauke. Auf langen Ausritten am Fjord entlang erlebt sie die Schönheit der Natur und erlebt tiefe Gefühle von Freiheit und Schwerelosigkeit
EHRFÜRCHTIGES STAUNEN Auf dem Weg zur Arbeit hält Frauke oft mit ihrem Auto an, stellt den Motor aus, und erfreut sich am Ausblick

Sie sitzt. Und sofort fällt der ganze blöde Mist von Schultern und Gemüt und es stellt sich ein – warmes, Kopf und Körper durchfließendes Glück. Hier und da noch zurechtruckeln, Balance ist alles. Denn die Schenkel, die eigentlich beim Reiten per Druck Halt geben, fühlen wenig, sind steif. Frauke sitzt trotzdem ziemlich sicher im Sattel, ihre Stiefel stecken in den Magnet-Bügeln, ihre Hände halten die Zügel. Sie spürt die Verbundenheit mit Balder, dem Lyngenpferd ihrer Freundin, echter Nachfahre der Wikingerpferde. Er trägt Frauke souverän und reagiert sensibel auf ihre Impulse, als spüre er, dass die freundliche Frau auf seinem Rücken ihn besonders braucht.

Und los! Gegen den eisigen Wind, minus 15 Grad sind es an diesem Sonntagmorgen um 10 Uhr. Eben erst ist es hell geworden, ohne Sonne, denn die zeigt sich hier in der Arktis, südlich von Tromsø in der dunklen Jahreszeit nie. Wenn es hochkommt, vier Stunden Licht, um 14 Uhr wird es wieder dunkel sein, kostbare Zeit also. Zum Fjord sind es vom Stall nur wenige Meter. Über ihnen kreist wie schon seit Wochen derselbe Adler. Balder stapft durch den Schnee, schnaubt, und Frauke weiß mal wieder nicht wohin mit ihrem Seligsein. Vereiste Haarsträhnen, seliges Grinsen, ihre Sehnsucht nach Schwerelosigkeit – gestillt.

In diesen Momenten fehlt nichts. „Auf dem Pferd fühle ich mich frei, tief verbunden mit dem Pferd und überwältigt von dem Bild, das sich vor meinen Augen ausbreitet“, sagt die Psychologin. Zwölf Jahre Leben an diesem Ort haben sie verändert. „Man kann nicht Wale unter dem Nordlicht spielen sehen, ihr Prusten und Schnaufen hören, ohne dass etwas mit einem geschieht. Man kann nicht in einer sternenklaren Nacht unter dem Nordlicht über ein Schneefeld durch eine Herde Rentiere reiten, ohne dass man sich verändert.“

Ein Geschenk des Lebens, Glück, das nicht vom Himmel fiel. Vor 21 Jahren sah es eher so aus, als sollte es überhaupt kein Glück mehr in Fraukes Leben geben. Sie war 39 Jahre alt, in Liebe verheiratet, lebte in Wuppertal, war fit, ging viel joggen, hatte eine befristete Anstellung als Wissenschaftliche Assistentin an der Uni. Alles war

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