Wenn die Zeit stillsteht

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Laura Report

Die Badenerin Monika Schmidlin (54) führt ihre Gäste auf eine Reise in die Vergangenheit. Unsere Reporterin Sibylle Royal begegnete unterwegs viel Brauchtum – und mysteriösen Gestalten

Monika Schmidlin bricht in der Dämmerung mit Ziegen-Begleitung und Laterne auf geschichtsreiche Wanderungen auf

„Ich bin d’ Berta, d’ Lichtsagerin“

Für die Erlebniswanderung schlüpft Monika Schmidlin (54) in eine historische Frauenrolle

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Noch bis März startet die Lichtsagerin von einem geheimen Ort am Kaiserstuhl auf ihre circa zweistündige Erlebniswanderung. Kostenpunkt: 49 Euro inkl. Essen. Infos unter: www.monika-schmidlin.de

Dichte Nebelwolken schieben sich den Berg hinauf. Über die knorrigen Rebstöcke – gerade noch schnurgerade vor uns – legt sich ein undurchsichtiges Gewand. Dann ein warmes Licht im milchigen Weiß, das tanzend auf uns zukommt. Erst tauchen zwei Ziegen im Nebel auf, dann eine in Schwarz gekleidete Frau mit Laterne in der Hand: „Ich bin d’ Berta, d’ Lichtsagerin.“

Auf den Spuren von armen Tagelöhnerinnen

„Wisst ihr, was die Aufgabe einer Lichtsagerin ist?“, fragt die Gestalt, während wir ihr durch einen Hohlweg den Berg hinauf folgen. Angemeldet hat sich unsere Gruppe unabhängig voneinander für diese Erlebniswanderung, aber was eine Lichtsagerin eigentlich macht, weiß niemand so genau. „Licht ist das alemannische Wort für Leiche, aber auch für Beerdigung“, erklärt sie. Vor langer Zeit liefen Tagelöhnerinnen im tiefsten Schwarzwald von Hof zu Hof, um zu berichten, wer gestorben war – und wann die Beerdigung stattfand.

„Es gab ja kein Internet, nicht mal Radio oder Zeitungen.“ Also trugen die Botschafterinnen auch Tratsch und Klatsch von Familie zu Familie und wurden dafür häufig in Naturalien entlohnt. Deshalb hat unsere neuzeitliche Berta auch einen Korb an ihren Gürtel geschnallt. Nur teilt sie unterwegs aus, statt einzustecken: etwa die Schmalzbrote, mit denen wir uns an einem Picknicktisch in der Dämmerung stärken. Mit dabei sind die süßen Vierbeiner Anton und Larry. Die Lieblingsziegen aus ihrer Herde, erklärt die Lichtsagerin: „Die begleiten uns heute, damit unterwegs nichts passiert!“ Die Tiere seien Blitzableiter für schlechte Energie.

Weiter geht’s durch die winterliche Nacht, die inzwischen den Nebel verdrängt hat. Es wird still hier oben im Wald. Keine Autos, keine Lichter. Nur unsere Laternen flackern in der Nacht. „Hat was Mystisches …“, flüstert jemand hinter mir. Immer wieder bleibt die Gruppe stehen für neue Geschichten von damals.

Monika ist noch gar nicht so lange Lichtsagerin – hat mal als Diplom-Ingenieurin für Verlagsherstellung gearbeitet. Doch durch Rationalisierungsmaßnahmen verlor sie mit Anfang 40 ihre Stelle, und schwor sich: „Ich werde nur noch Jobs machen, die mir gefallen!

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