”Es gibt keine einfachen Antworten“

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REPORT

Die neue „Tagesthemen“-Moderatorin Jessy Wellmer spricht über ihr wichtigstes Anliegen: die Kluft zwischen Ost und West. Für sie ein Blick zurück – und nach vorn

Wie tickt DEUTSCHL AND ?

Sind Menschen aus dem Osten Deutschlands immer noch benachteiligt? Bei ihr jedenfalls lief immer alles gut: behütete Kindheit, glück liches Familienleben, erfolgreiche Karriere. Jessy Wellmer ist ein beliebtes T V-Gesicht. Im Herbst 2023 wechselte die Moderatorin, die bislang in „Morgenmagazin“ und „Sportschau“ vor allem Sportthemen behandelte, zu den „Tagesthemen“ (siehe TV-Tipp S. 11) – und damit zur Politik. Als Nachfolgerin von Caren Miosga übernahm die 44-Jährige Ende Oktober die Präsentation des wichtigen Nachrichtenmagazins im Ersten, das jeden Abend Millionen Menschen verfolgen.

Dort wird sie nun oft mit einem Thema konfrontiert, das sie auch persönlich umtreibt: der Graben zwischen Ost- und Westdeutschen, der sich scheinbar immer mehr vertieft. Wellmer, selbst in Meck lenburg-Vorpommern geboren, ist immer w ieder durchs Land gereist, hat mit v ielen Menschen gesprochen und dazu zwei viel beachtete T V-Reportagen gedreht, die in der ARD-Mediathek abruf bar sind: „Russland, Putin und wir Ostdeutsche“ (siehe Kasten S. 10) und „Wir Ostdeutsche und der Westen“ (siehe Kasten u. r.). Nun veröffentlicht sie ein Buch: „Die neue Entfremdung“ (siehe Bucht ipp S. 11). „Es ist meine persönliche Auseinandersetzung mit dem Land, in dem ich geboren bin“, so Wellmer.

„Ich war nie eine Quotenfrau“

Sie sind w ieder da, die Unterschiede zwischen Ost und West. „Ich hatte das eigentlich für über w unden gehalten. Doch plötzlich sind Wunden, die schon verheilt schienen, w ieder aufgebrochen“, sagt sie. „Das begann mit der Flüchtlingskrise 2015, dann kam die Pandemie 2020, als v iele Ostdeutsche die Coronamaßnahmen als Angriff auf ihre Freiheit empfanden, 2022 der Krieg Putins gegen die Ukraine. Viele nehmen die moralische Haltung des Westens gegenüber Russland persönlich und empf inden sie als Angriff auf ihre Ost-Identität.“ All das sind laut Wellmer Gründe für die Spaltung. Menschen im Westen reagieren oft mit Unverständnis auf die unzufriedenen Ostdeutschen. „Das driftet auseinander. Was bedeutet das für unsere Zukunft und die unserer Kinder?“, fragt sie.

Wellmer selbst hat von einer Ost-West-Krise lange nichts gespürt, weder privat noch beruf lich: „Es war nie ein Thema, dass ich aus dem Osten komme. Es hat mich an nichts gehindert, und ich war auch nie die Quotenfrau. Es spielte einfach keine Rolle. Und diese Erfahrung haben auch andere meiner Generation gemacht.“ Sie gehört zur Wendegeneration, die ideologisch unbelastet ist. Wellmer war neun Jahre alt, als die Mauer fiel. Nach dem Abitur zog sie zum Studium nach Berlin, absolv ierte beim Sender RBB ein Volontariat. Sch

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