„Wir müssen verletzbar bleiben“

3 min lesen

DÜZEN TEKKAL

Auf eine Demo zu gehen bringt doch sowieso nichts? Von wegen! Wenn Düzen Tekkals Vater seine Tochter früher nicht mit zu Protesten genommen hätte, wäre aus ihr vielleicht nicht die berühmteste Menschenrechtsaktivistin Deutschlands geworden

Foto: Sebastian Schramm

Woher nimmt diese Frau bloß die Energie? Düzen Tekkal ist Menschenrechtsaktivistin, Journalistin, Kriegsberichterstatterin, war mit Außenministerin Annalena Baerbock auf Delegationsreise und setzt sich mit ihrer Organisation HÁWAR.help für den Schutz von Frauen und Mädchen in Krisengebieten ein. Beeindruckend! Wir sprachen mit ihr darüber, welchen Einfluss unser politisches Engagement auf unsere Kinder hat, welche Veränderungen unsere Gesellschaft braucht und wie sie mit dem Leid vieler Frauen umgeht, mit dem sie täglich konfrontiert wird.

Sie haben HÁWAR.help gemeinsam mit Ihren vier Schwestern gegründet. Wie kam es dazu, dass Sie sich alle gemeinsam in diesem Maße für Menschenrechte einsetzen?

Der Ursprung liegt bei unseren Eltern – wir sind mit dem Kampf für Menschenrechte aufgewachsen. Insbesondere mein Vater hat sich immer für die Rechte anderer starkgemacht, hat uns Kinder mit auf Demos genommen – wir waren immer mittendrin. Und diese Energie haben wir wie einen Staffelstab mitbekommen.

Dann können wir also schon viel damit bewegen, wenn wir unseren Kindern ein starkes politisches Engagement vorleben?

Ja, absolut! Ich glaube, viel mehr, als uns bewusst ist. Das, was wir vorleben, ist wichtiger als das, was wir sagen. Meine Nichten sind auch auf jeder Demo dabei, sie wissen, dass sie mutige Tanten und eine starke Mama haben.

Was können wir denn noch dazu beitragen, dass aus Mädchen angstfreie Frauen werden – im Angesicht der schrecklichen Bilder von sexualisierter Gewalt in Krisengebieten?

Urvertrauen geht da los, wo wir anfangen, unseren Kindern vorzuleben, wie wir Ängste bewältigen. Mädchen müssen lernen, dass sie stark sind, dass sie sich verteidigen können, dass sie gut argumentieren müssen – und das geht nur, wenn wir sie loslassen und sie etwas erleben lassen, ihnen etwas zutrauen. Es ist nicht unsere Aufgabe, Mädchen und junge Frauen zu schützen, sondern wir müssen Jungs anders erziehen. Da muss der Feminismus ansetzen – wie wir junge Männer befähigen, Zivilcourage an den Tag zu legen. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, ein Kulturwandel. Das fängt ja auch schon damit an, dass Femizid in unseren Gesetzen nicht als Straftat verankert ist. Da muss jetzt dringend etwas passieren!

Wie lässt sich diese Diskussion denn auch in Bezug auf islamische Frauen und Mädchen führen – ohne den falschen Leuten damit in die Hände zu spielen?

Indem man die Frauen selber zu Wort kommen lässt. Sie müssen nicht von uns beschützt oder gerettet werden, aber sie brauchen einen Raum, in d

Dieser Artikel ist erschienen in...

Ähnliche Artikel

Ähnliche Artikel