IMMER SCHÖN RUHIG!

2 min lesen

Die Sonne in der Seele suchen und Frieden auch im Kleinen finden: Das geht, weiß Schrif tstellerin Doris Knecht. Und spielt hier mit Gedanken zur (inneren) Ruhe

Was Ruhe für mich bedeutet: keine Menschen um mich, oder Menschen um mich, die auch mal mit mir schweigen können. Grün. Ordnung. Lange Spaziergänge. Musik, die mich trägt, Songs, in denen ich mich schon auskenne. Meine K inder sicher und zufrieden wissen. Dem Hund beim Träumen zusehen. Ein bisschen Leben vorm Fenster, das draußen bleibt und nicht zu mir hereinkommt. Natur. Wasser. Wald.

Wenn ich etwas geschafft habe: ein Tagespensum erreicht, eine Arbeit abgeschlossen. Etwas aufgeräumt, Dinge aussortiert habe, die mein Denken, mein Sein verstopften. Wenn ich Platz geschaffen, eine Übersicht bekommen, Luft hereingelassen habe. Meine Ruhe ist kalt, kühl zumindest. Sie ist ein Wald am Morgen, bevor die Sonne die Wipfel der Tannen erreicht. Ein Feldweg im Schnee. Der umgedrehte Schlüssel in meinem Schloss, abends, bevor ich schlafen gehe. Meine Ruhe ist ein gelassen neben mir hertrabender Hund. Die Rückkehr meiner Kinder von einer langen Reise. Die Abwesenheit von Zorn, von Kränkung, von Wut, von Geldsorgen. Von der Angst, dass jemandem in meiner Familie etwas zustoßen könnte, vorm Versagen. Das Vergessenkönnen von Kränkung. Entscheiden zu können, mit wem man zusammen ist. Weggehen zu können, Schlussmachen zu dürfen, jemanden für immer aus seinem Leben zu entfernen, und mit ihm psychische oder verbale Gewalt, Erniedrigungen, Verletzungen, Demütigungen, Schmerz. Beunruhigendes loslassen können, auch wenn man es einst liebte. Ruhe bedeutet: Ruhe geben können, auch sich selbst gegenüber.

Meine Ruhe ist auch: einen Konflikt bei legen, jemandem die Hand reichen.
AUSZEIT IM ALLTAGS-HUSTLE Doris Knecht findet: Jede:r kann sich seinen:ihren Rückzugsort der Ruhe in der Öffentlichkeit selbst bauen. Etwa mit Noise-Cancelling-Kopfhörern und Sonnenbrille …
FOTO: JUAN MOYANO/STOCKSY

DAS PRIVILEG DER RUHE

Ruhe ist leicht zu finden, wenn man keine finanziellen Probleme hat oder nur solche, die sich lösen lassen mit ein paar k leinen Einschränkungen. Wenn keine nahestehenden Menschen an unheilbaren Krankheiten leiden. Wenn man über vier Wände verfügt, in denen man sich sicher fühlen kann, ohne andere Menschen oder mit solchen, bei denen man sich geschützt und aufgehoben fühlt, mit einer Tür, die man hinter sich zusperren kann. Wenn kein Krieg herrscht vor dieser Tür. Wenn man in einer Stadt wohnt, in der man auch als Frau ohne Angst auf die Straße gehen kann. Wenn man in ein Land geboren wurde, in dem man ein Leben nach eigenen Vorstellungen führen kann, wo keine religiösen Fanatiker das Sagen haben und dir Vorschriften machen können, wie viel von deinem Körper du zeigen darfst und was

Dieser Artikel ist erschienen in...

Ähnliche Artikel

Ähnliche Artikel