DER BULLE UND DIE SÄNFTE

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Die englische Nobelmarke Bentley wird dieses Jahr 105 Jahre alt. Classic Cars fuhr noch einmal die bullige Sportskanone 4 1/2, den Le Mans-Sieger von 1927, und das Luxusmodell T2 aus dem Jahr 1978. Eine Begegnung der Gegensätze

FOTOS Zbigniew Mazar

Obwohl Bentley das Image einerLuxusmarke genießt, offizieller Hoflieferant des englischen Königshauses ist und in den 20ersowie 30er-Jahren etliche Siege in Le Mans einfuhr, ist die Geschichte der englischen Luxusmarke keine Erfolgsstory. Zu oft begleiteten den Hersteller Pleiten, Übernahmen und ein Schlingerkurs am finanziellen Abgrund. Zudem stand Bentley immer im Schatten von Rolls-Royce und galt bei Stars im Showgeschäft stets „als billige Kopie“. Gegründet von Walter Owen Bentley, feiert der Hersteller 2024 sein 105-jähriges Jubiläum, Doch bereits 1925 gingen in den Hallen im Londoner Stadtteil Cricklewood, wo die ersten Bentley gebaut wurden, die Lichter aus. Es fehlte schlichtweg das Geld.

So sprang Woolf Barnato ein, ein Finanzmann, der als Rennfahrer bei den Bentley Boys bekannt wurde. Er sicherte mit Finanzspritzen und Bankgarantien das Überleben der Company. Aber es reichte wieder nicht, Bentleys Absatz war nach wie vor zu gering. Woolf hatte viel Geld verloren und stieg aus. Bentley wurde zahlungsunfähig. Rolls-Royce stieg ein – damit war Bentley als eigenständiger Hersteller Geschichte. Fortan nutzte die Marke die Rolls-Royce-Technik. Doch auch unter der neuen Ägide nahm man nicht so richtig Speed auf. So wurde in den 70er-Jahren erneut erwogen, Bentley einzustellen. Kurzzeitig brachte 1985 noch der vorgestellte Turbo Rdie Marke wieder in die Erfolgsspur, 1998 übernahm dann schließlich der VW-Konzern den Luxus-Automobilbauer.

Riesiger und moderner Vierzylinder

Unsere beiden Bentley trennen nicht nur rund sechs Jahrzehnte, sie stehen auch für die unterschiedliche Markenphilosophie des Herstellers in den jeweiligen Epochen. War der 4 1/2 Liter Le Mans ein Sportwagen, so war der T2 eine klassische Luxuslimousine.

Der 4 1/2 wurde von 1927 bis 1931 gebaut, als die Bentley Boys, eine Schar von tollkühnen und schwerreichen Rennfahrern, auf Bentley zahlreiche Siege errungen und vor allem in Le Mans Geschichte schrieben. Der Wagen wird von vielen Fachleuten als das beste Modell aus der Walter Owen-Ära betrachtet. Angetrieben von einem riesigen Vierzylinder mit 4,4 Liter Hubraum und einem irrwitzigen Bohrung-Hub-Verhältnis von 100 x 140 Millimetern, leistete das Monument von Motor 110 PS bei 3500/min. Vor allem war das Aggregat für die damalige Zeit eine technische Sensation: Vier Ventile pro Brennraum waren damals weitgehend unbekannt, der Nockenwellenantrieb erfolgte über eine Königswelle, das Material des Kurbelgehäuses bestand aus Elektron, einer Magnesium-Aluminium Legierung, die Kurbelwelle war bereits fünffach gelagert, und eine doppelte Magnetzündun