DAS WUNDER DER WÖLFE

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Rund 150 Wölfe leben wieder in Deutschland – in Freiheit. Und ihre Zahl wächst stetig. Deutschlands berühmtester Förster Peter Wohlleben erklärt, wie die Neuankömmlinge unsere Wälder formen und die Natur bereichern. Ein Exklusiv-Interview über anders fließende Flüsse, mehr Himbeeren – und unseren Umgang mit dem Ungewohnten …

Herr Wohlleben, Ihr Revier liegt in der Eifel. Gibt es dort bereits wieder Wölfe?

Nein, bislang nicht. Wölfe sind erst seit der Jahrtausendwende wieder in Deutschland heimisch und breiten sich langsam nach Westen aus. In die Eifel an der Grenze zu Belgien und Luxemburg sind sie bislang noch nicht vorgedrungen. Das wird aber sicherlich in den nächsten Jahren passieren. Und ich bin mir sicher, ich werde merken, dass die Wölfe da sind, noch bevor ich eine Spur von ihnen sehe – am veränderten Verhalten der anderen Tiere.

Das müssen Sie erklären.

Wie das genau funktioniert, kann ich nicht sagen. Aber es gibt eine Art Stille-Post-System im Wald. Einer meiner Kollegen in Rheinland-Pfalz sagte mir neulich, er wisse immer ganz genau, wenn er Luchse im Revier habe. Seine Katze will dann nämlich nicht mehr vor die Tür. Gibt es Wölfe in der Umgebung, verhalten sich gerade Rehe und Hirsche anders – sie sind als Hauptbeutetiere der Neuankömmlinge schließlich am meisten gefährdet. Ihr Leben erfährt gewissermaßen eine dramatische Wendung.

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ADOPTIVKINDER Der legendäre „einsame Wolf“ ist eine absolute Ausnahmeerscheinung: Dabei handelt es sich in der Regel um junge Tiere auf der Suche nach einem neuen Rudel. Tatsächlich adoptieren Familien fremde Wölfe und damit potenzielle Konkurrenten um die Führungsspitze: Starke, neue Tiere sichern den Jagderfolg und damit das Überleben des gesamten Rudels.
BODEN-LUFT-SYMBIOSE Manche Vogelarten leben bevorzugt in der Nähe von Wolfsrudeln: Sie profitieren von Beuteresten und dienen den Wölfen im Gegenzug als Alarmanlagen und Putzkolonnen an den Aufzugshöhlen der Welpen.

Wie äußert sich das konkret?

Ganz einfach: Solange es nur menschliche Jäger auf sie abgesehen haben, halten sie sich gern im dichten Unterholz auf. Sie wissen, die Zweibeiner sind langsam und verlassen sich auf der Pirsch vor allem auf ihre Augen. Wölfe dagegen riechen ausgezeichnet und hetzen ihre Beute. Verstecken ist wenig erfolgversprechend. Deswegen bevorzugen Rehe und Hirsche in ihrer Gegenwart offene Flächen, die den Feind sichtbar machen und von wo sie schnell flüchten können. Und das wiederum verändert das Antlitz des Waldes an sich.

Soll das heißen, ein Wald mit Wölfen sieht anders aus als einer ohne?

Das ist tatsächlich so. Es gibt ein altes Sprichwort aus Russland: Wo der Wolf hingeht, wächst der Wald. Denn wenn Rehe und Hirsche schneller ihre Weidegründe verlassen und sich häufiger auf Lichtungen aufhalten müssen, k�