Die Entschleunigung der Straße

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TEMPO 30

Gegen die systematische Ausweitung von Tempo-30-Zonen gibt es erbitterten Widerstand, sogar aus dem Verkehrsministerium. Dabei gibt es viele gute Gründe, es zu tun.

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Buxtehude ist Avantgarde. Die als Schauplatz des grimmschen Märchens »Der Hase und der Igel« bekannte Kleinstadt westlich von Hamburg war der Ort, an dem im November 1983 die erste Tempo-30-Zone Deutschlands eingerichtet wurde – gegen massiven Widerstand. Doch die Proteste verrauchten schnell und aus dem Pilotprojekt wurde eine große Erfolgsgeschichte. Heute gibt es Tempo-30-Zonen in so gut wie allen Städten des Landes. Beim Verkehr ist Buxtehude nicht Provinz, sondern Pionier.

Jetzt haben Verantwortliche der Stadtverwaltung die Geschwindigkeit in Teilen der Altstadt Buxtehudes weiter gedrosselt. Seit dem Sommer stehen Tempo-20-Schilder am westlichen Ende der Fußgängerzone. Aber das ist Johannes Kleber, dem städtischen Verkehrsplaner, noch zu schnell. Er hätte gerne Tempo 10 angeordnet, um das Leben in der Altstadt weiter zu entschleunigen. Dort sei es sehr eng und wuselig, erzählt er, dafür aber gemütlich. Buxtehude möchte noch mehr wie der schlaue Igel aus Grimms Märchen sein. Wer entschleunigt, gewinnt.

Bis nach Berlin hat sich dieses Motto noch nicht herumgesprochen. Das Verkehrsministerium stellt sich seit Jahrzehnten quer, den Kommunen freie Hand bei der Geschwindigkeit zu gewähren. Jeder Vorstoß, das Tempo in Städten und Gemeinden zu drosseln, löst eine emotionale Debatte im Land aus. Autofahrer fühlen sich gegängelt und ihrer persönlichen Freiheit beraubt, während Anwohner und Eltern endlich mehr Ruhe und Sicherheit fordern.

So war es schon 1957, als die Bundesrepublik über die Wiedereinführung einer Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften stritt. Sämtliche Geschwindigkeitsbegrenzungen waren erst 1953 aufgehoben worden. Doch Mütter beklagten den Tod ihrer Kinder, die beim Spielen von Autos getötet worden waren. Gegner des Tempolimits ga-ben nicht der hohen Geschwindigkeit, sondern den mangelnden Fahrfähigkeiten der Autofahrer Schuld. Schließlich wurde das erste Tempolimit beschlossen. Seither gilt in Deutschland innerorts Tempo 50 – für Tempo 30 braucht es gute Gründe. Und meist muss es erst zu einem schweren Unfall kommen, bevor das Tempo gesenkt wird.

TEMPO 30 | Tempo 30 rettet Leben, senkt die Lärmbelastung und schützt sogar die Umwelt, weil der Verkehr gleichmäßiger fließt.
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Bis heute hat sich daran wenig geändert. Der Bund gibt die Geschwindigkeit vor, obwohl die Anträge, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu ändern, bereits Ende der achtziger Jahre im Bundestag gestellt wurden. Schon damals verfolgten die Antragsteller drei Ziele: mehr Verkehrssicherheit, mehr Umweltschutz, mehr Lebensqualität. Doch die Vorstöß

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