NEUROBIOLOGIE DER LIEBE

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PRÄRIEWÜHLMÄUSE

Kleine Nager liefern uns überraschende Erkenntnisse darüber, wie soziale Bindungen entstehen.

Steven Phelps ist Direktor des Center for Brain, Behavior and Evolution an der University of Texas in Austin. An Nagetieren mit ungewöhnlichem Sozialverhalten untersucht er, wie Gehirn, Gene und Umwelt bei komplexen Verhaltensweisen zusammenwirken. Zoe Donaldson erforscht als Assistenzprofessorin an der University of Colorado in Boulder mit neurogenetischen Methoden, wie Paarbindungen entstehen, wie sie das Gehirn verändern und wie wir über Verluste hinwegkommen. Devanand Manoli ist Neurowissenschaftler an der University of California in San Francisco. Mit seinem Labor leistete er Pionierarbeit, indem er die Genome von Wühlmäusen mit Hilfe von CRISPR manipulierte, um zu ergründen, wie soziale Bindungen im Gehirn codiert sind und wie sich diese Prozesse bei psychiatrischen Krankheiten verändern.
AUBREY M. KELLY

In den vergangenen zwei Millionen Jahren haben riesige Eisschilde die Landschaft im Mittleren Westen der USA flach wie einen Wetzstein geschliffen. Heute erstrecken sich dort bis zum Horizont Maisfelder, doch immer wieder finden sich auch Überreste der Prärie, die einst das Zentrum des US-Bundesstaats Illinois bedeckte. In einem Herbst vor knapp einem halben Jahrhundert kontrollierte der junge Ökologe Lowell Getz von der University of Illinois seine inmitten von Gras und Klee versteckten Fallen. Dabei fiel ihm auf, dass sich eines der von ihm gefangenen Nagetiere anders als die übrigen verhielt: Bei der Präriewühlmaus tauchten immer wieder bestimmte Paare zusammen in den Fallen auf. Laut Schätzungen der Zoologin Devra Kleiman (1942–2010) aus den 1970er Jahren leben nur etwa drei Prozent aller Säugetierarten monogam. Die von Getz und seinen Studenten gesammelten Daten deuteten darauf hin, dass Microtus ochrogaster dazugehört.

Getz war nicht der erste Wissenschaftler, der bei Präriewühlmäusen ein monogames Verhalten vermutete. Seine Arbeit weckte jedoch die Aufmerksamkeit der Biologin Sue Carter, und zusammen begannen die Teams der beiden, das gesamte Spektrum des Sozialverhaltens der Wühlmäuse und das seiner zu Grunde liegenden Hormone sowohl im Labor als auch in freier Wildbahn zu dokumentieren. In ihren Untersuchungen aus den 1980er und 1990er Jahren fanden sie heraus, dass Männchen und Weibchen ein Nest miteinander teilen, ihre Jungen partnerschaftlich aufziehen und ihr Territorium gemeinsam verteidigen. Als Maß für die »Partnerpräferenz« entwickelte Carters Arbeitsgruppe einen simplen Verhaltenstest: Das Versuchstier sollte sich zwischen seinem Gefährten und einem Fremdling entscheiden, die jeweils in zwei benachbarten Käfigen saßen. Präriewühlmäuse, die bereits eine Paarbindung eingegangen waren, kuschelten bevorzugt mit ihrem vertrauten Partner. Jene Bindung,

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