Keine Epoche für die Menschheit

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ANTHROPOZÄN

Verändern wir Menschen die Erde so massiv, dass eine neue Erdepoche angebrochen ist? Darüber streiten Geologen seit Jahren. Doch der Vorschlag ist nun überraschend gescheitert.

EINFACHMEDIEN / STOCK.ADOBE.COM

Das Anthropozän ist geplatzt. Der Vorschlag, ein neues Menschenzeitalter auszurufen, ist erst mal vom Tisch. Dabei hatte über 15 Jahre hinweg ein großes Team von Wissenschaftlern intensiv die Frage untersucht, ob die Menschheit die Erde so einschneidend und langfristig verändert, dass eine neue Erdepoche angebrochen ist. Doch aus alldem wird nun bis auf Weiteres nichts. Denn die Gegner einer neuen Zeitrechnung für die Erde haben den Vorschlag unbefristet auf Eis gelegt.

Eigentlich war geplant gewesen, das Anthropozän im Sommer auf dem internationalen Geologenkongress im südkoreanischen Busan formal auszurufen. Die eigens dafür einberufene Anthropocene Working Group (AWG) hatte sich nach mehrjährigen Beratungen eindeutig für eine solche Erdepoche des Menschen ausgesprochen. Der Beginn wurde vor allem wegen der langfristigen messbaren radioaktiven Spuren von Atombombenexplosionen auf die Mitte des 20. Jahrhunderts datiert. Mit dem Crawford Lake in Kanada war auch schon ein Referenzort für die weitere geologische Forschung gefunden. Die Gruppe war von der Internationalen Kommission für Stratigrafie (ICS) mit der Aufgabe betraut worden. Diese wacht über die wissenschaftliche Einteilung der Erdgeschichte in Kapitel und Unterkapitel und gibt die offizielle »Geologische Zeittafel« heraus.

Doch nun hat ein übergeordnetes Gremium in der ICS mit einer überraschend deutlichen Mehrheit den Anthropozän-Vorschlag abgelehnt. Die »New York Times« berichtete am Dienstag als Erste über das Ergebnis der schriftlichen Abstimmung, die sich über einen Monat hingezogen hatte. 12 der insgesamt 22 Mitglieder des Gremiums stimmten mit Nein, vier mit Ja, zwei enthielten sich, vier weitere meldeten sich nicht zurück. Allerdings gab es im Vorfeld der Abstimmung Kritik an dem Prozess: So sei übereilt eine Frist gesetzt worden, ohne dass es ausreichend intensive wissenschaftliche Erörterungen gegeben habe. Der Vorsitzende der AWG, der Geologe Colin Waters von der University of Leicester in Großbritannien, zeigte sich gegenüber »Spektrum« enttäuscht über das Abstimmungsergebnis. Auch er äußerte Kritik am Verfahren und gab bekannt, dass die AWG das Abstimmungsergebnis möglicherweise anfechten werde. Waters kündigte zudem an, die Gruppe werde die wissenschaftliche Arbeit an der neuen Epoche fortsetzen.

Unbestritten, dass die Menschheit die Erde drastisch verändert

Den Anstoß für die Beratungen hatte ursprünglich der Chemie-Nobelpreisträger Paul Crutzen im Jahr 2000 gegeben, als er forderte, das aktuelle Holozän offiziell zu beenden und durch ein neues »Anthropozän« zu ersetzen. Eine

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