Künstliche Intelligenz verändert alles

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Helga Nowotny | Die KI sei mit euch | Aus dem Englischen von Sabine Wolf | Verlag: Matthes & Seitz, Berlin 2023, 287 S. | ISBN: 9783751803960 | 25,00 € | bei Amazon.de kaufen

Michael Springer ist Schriftsteller und Wissenschaftspublizist. Seit 2005 betreut er die Kolumne »Springers Einwürfe« in »Spektrum der Wissenschaft«.

Aus der Flut von Publikationen, die sich mit Digitalisierung und künstlicher Intelligenz (KI) befassen, sticht dieses Buch durch seinen Fokus auf die sozialen Rahmenbedingungen heraus. Auf was für eine Welt treffen die neuen Technologien? Wie gut ist die Gesellschaft gegen deren Risiken gewappnet? Wie kann der Mensch lernen, die Chancen zu nutzen, die intelligente Maschinen eröffnen?

Die Soziologin Helga Nowotny bringt die nötige Expertise mit, um solche Fragen zu beantworten. Sie lehrte an der ETH Zürich Wissenschaftsphilosophie und war Präsidentin des Europäischen Forschungsrats. Für ihre Arbeiten zur Wissenschaftsforschung erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen. Stets galt ihr Interesse den sozialen Auswirkungen technischer Entwicklungen.

Ihre eigene Position zu den neuenTechnologien bezeichnet Nowotny als »digitalen Humanismus«. Damit grenzt sie sich von Spekulationen ab, die unter dem Etikett »Transhumanismus« eine nahe Zukunft ausmalen, in der sich die Menschheit der Herrschaft der KI bereitwillig ausliefert. Vielmehr geht es Nowotny darum, die spezifisch menschlichen Wünsche und Ziele stark zu machen, denen sich die digitalen Denkwerkzeuge unterordnen sollen.

VITALII GULENOK / GETTY IMAGES / ISTOCK

Die Autorin scheut sich nicht, in diesem Zusammenhang den ehrwürdigen Begriff der »Weisheit« zu bemühen, also das alte Ziel der Philosophie, durch richtiges Denken und Handeln ein gutes Leben zu erlangen. Das kann nur gelingen, wenn der Mensch das Maß aller Dinge bleibt, statt sein Denken und Handeln von Maschinen bestimmen zu lassen. Nowotny erinnert daran, dass wir heute eine Umwälzung erleben, die eigentlich schon mit der Industrialisierung begann und sich mit der Automatisierung von Produktionsabläufen fortsetzte. Damals wurde körperliche Arbeit auf Maschinen übertragen, heute delegieren wir intellektuelle Tätigkeiten an Computer. Dabei ähneln sich die sozialen Anpassungsprobleme: Eintönige menschliche Arbeit verschwindet, verfeinerte Fähigkeiten sind gefragt. So wenig wie seit damals die Arbeit komplett verschwunden ist, so wenig wird das menschliche Denken durch die Digitalisierung obsolet. Die Arbeitswelt wandelt sich weiter.

Dabei ist der gegenwärtige technische Wandel in der Art und Weise, wie er unser Denken und unsere Sinne unmittelbar erfasst, etwas völlig Neues. Wir leben laut Nowotny in einer Spiegelwelt. Die audiovisuellen Medien, die digitale Vernetzung, die künstlich-intelligenten Gaukeleien erzeugen eine zweite, virtuelle Realität, in der wir uns erst einm

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