Fleisch aus der Retorte

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Die großindustrielle Fleischproduktion ist mitverantwortlich für Klimawandel und Artensterben. Doch es gibt Alternativen dazu. Können Proteine aus dem Bioreaktor dabei helfen, eine nachhaltige Lebensweise zu erreichen?

Gunther Willinger ist Biologe und Wissenschaftsjournalist in Tübingen, guntherwillinger.de.

ERNÄHRUNG

IN-VITRO-PATTY Neue Verfahren erlauben es, aus tierischen Stammzellen sowohl Muskelals auch Fettgewebe zu züchten und daraus Fleischersatzprodukte herzustellen. Der Vorteil: Geschmack und Inhaltsstoffe sind dem Original sehr ähnlich, ohne dass dafür Tiere leiden und sterben müssen.
MICHAL-ROJEK / GETTY IMAGES / ISTOCK

Für Thibault Godard liegt die Zukunft des Essens im Untergrund. Dort, wo Pilze ihr feines, wurzelähnliches Geflecht aus Zellfäden ausbreiten, um Nährstoffe aufzunehmen und organische Stoffe abzubauen, soll eine neue Generation nachhaltiger Lebensmittel heranwachsen. Der promovierte Biotechnologe ist Mitbegründer und Forschungsleiter des Hamburger Start-ups Mushlabs. Das junge Unternehmen kultiviert eiweiß- und ballaststoffreiches Pilzmyzel in Bioreaktoren, um damit langfristig tierische Produkte zu ersetzen. Die Vision: eine gesunde und schmackhafte Proteinversorgung ohne die katastrophalen Auswirkungen der heutigen Fleischindustrie auf Umwelt und Tierwohl.

Damit folgt die Firma einem Trend, der zuletzt stark an Fahrt aufgenommen hat, nämlich der Herstellung von Fleischersatzprodukten (siehe »Spektrum« Januar 2023, S. 44). Die Branche hat sich in den zurückliegenden zehn Jahren rasant weiterentwickelt. Es geht längst nicht mehr nur um Sojawürste oder Hafermilch, sondern um völlig neue Konzepte, die eine umfassende Transformation des Ernährungssystems anstoßen sollen. Da werden Steaks in der Petrischale gezüchtet und Bakterien dazu gebracht, proteinreiches Pulver zu erzeugen. Und auch wenn es noch etliche Hürden zu überwinden gilt: Die Bereitschaft vieler Menschen, Neues auszuprobieren, scheint vorhanden. Laut einer 2022 veröffentlichten Studie des Good Food Institute Europe ist Deutschland mit 1,9 Milliarden Euro jährlich der mit Abstand größte Markt für alternativ hergestellte Nahrungsproteine in Europa. 41 Prozent der Deutschen geben an, dass sie mindestens einmal im Monat pflanzenbasierte Fleischalternativen essen, ein Viertel der Befragten möchte das in Zukunft noch öfter tun.

Fleischlose Proteinquellen müssen künftig eine wachsende Rolle spielen, wenn ein weltweiter Kollaps von Ökosystemen verhindert werden soll. Na

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