Chemie morgens im Bad

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Schon bald nach dem Aufstehen kommt man im Badezimmer mit allerlei Chemikalien in Kontakt: Betaine im Shampoo, Natriumfluorid in der Zahnpasta, Syndets in Waschlotionen. Wir nehmen einige solche Inhaltsstoffe unter die Lupe.

Matthias Ducci (links) ist Professor für Chemie und ihre Didaktik am Institut für Chemie an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe. Marco Oetken ist Abteilungsleiter und Lehrstuhlinhaber in der Abteilung Chemie der Pädagogischen Hochschule Freiburg.

CHEMISCHE UNTERHALTUNGEN

SPIEGLEIN, SPIEGLEIN AN DER WAND Mit Silber beschichtete Petrischale.
MATTHIAS DUCCI

Wenn wir morgens das Badezimmer betreten, schauen wir häufig zuerst auf eine hauchdünne Aluminiumschicht hinter Glas: den Badezimmerspiegel. Heute hat seine Herstellung weniger mit Chemie zu tun, da unter Vakuum Aluminiumfolie auf Glasscheiben gepresst wird oder diese mit Aluminium bedampft werden (Vakuum-Metallisieren). Alternativ könnte man das Glas aber auch mit Silber beschichten. Der deutsche Chemiker Justus von Liebig beobachtete schon 1835, dass gelöste Silbersalze mit Aldehyden zu elementarem Silber reagieren. Aldehyde sind organische Moleküle, die an einem Ende die Atomgruppe –CHO (Aldehyd- oder Formylgruppe) tragen. Diese »funktionelle Gruppe« bestimmt die Eigenschaften und das Reaktionsverhalten der Verbindung maßgeblich. Ein prominentes Beispiel ist Glucose (auch als Traubenzucker bekannt), die in ihrer offenkettigen Form eine Aldehydgruppe aufweist. Bringt man sie mit einer Silbersalzlösung zusammen, bildet sich an der Innenwand der gläsernen Reaktionsgefäße ein Spiegel aus elementarem Silber.

Der englische Chemiker Thomas Drayton erkannte, welches Potenzial dieser Prozess zur Spiegelherstellung hatte, und ließ sich 1843 ein solches Verfahren patentieren. Daraufhin beschäftigte sich von Liebig erneut mit seiner Entdeckung und veröffentlichte 1856 den Artikel »Ueber Versilberung und Vergoldung von Glas«. Er wollte die seinerzeit gängige Spiegelherstellung mittels Quecksilber verdrängen, denn das giftige Metall gefährdete die Gesundheit der Arbeiter stark. Obwohl er einige Jahre später in einer weiteren Publikation ein Verfahren beschrieb, das für den Großbetrieb geeignet war, blieb der Erfolg aus – das Konkurrenzprodukt aus Quecksilber war wesentlich günstiger. Justus von Liebigs Methode setzte sich erst durch, als 1890 neue Arbeitsschutzgesetze in Kraft traten.

Der deutsche Agrikulturchemiker Bernhard Tollens erkannte, dass die Reaktion ausschließlich mit Aldehyden stattfindet, u


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