TOUR DE FRANCE 2.0

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RACE A CROSS FRANCE

VOM ATLANTIK ANS MITTELMEER, ÜBER RUND 40 PÄSSE UND 2600 KILOMETER MIT 37.000 HÖHEN-METERN, ALLEIN OHNE JEDE HILFE: DAS IST DAS RACE ACROSS FRANCE. DER SELBSTVERSUCH.

Ich habe Angst – nicht vor der Strecke, die vor mir liegt, nicht vor dem Gegenwind, nicht vor dem Schlafentzug, nicht vor Hitze, Kälte, Regen. Sondern: vor diesen ersten Metern, vor der Blamage. „Möge der Wind Dich bis an die Mittelmeerküste tragen“, brüllt Arnaud, der Veranstalter des Race Across France, ins Mikrofon und gibt mir einen ordentlichen Klaps auf die Schulter. Es ist ein Samstag im Juni, 18.48 Uhr: Ich rolle von der Bühne die steile Rampe auf die Promenade hinunter. „Popo nach hinten, Popo nach hinten“, brüllt eine Stimme in meinem Kopf. Ich habe Angst vor einem Sturz. Hier. Jetzt. Vor all den Leuten. Nicht mal eine Sekunde nach dem Start. Doch: Es geht gut. Ich rolle gerade aus. Zwischen Hunderten Zuschauern entlang, die applaudieren. Dies ist der Beginn. Ich spüre die Kraft des Windes, der vom Meer herüberweht. Ich bin an der Küste des Ärmelkanals – 45 Kilometer entfernt liegt England – in Le Touquet-Paris-Plage, an der Côte d’Opale. Mein Ziel: Innerhalb von maximal zehn Tagen einmal durch Frankreich fahren. Von der Atlantikküste im Norden über 2600 Kilometer und 37.000 Höhenmeter – darunter die Alpen – ans Mittelmeer nach Mandelieu-la-Napoule.

Fotos: Quentin Iglesis

Meer & Wind

Hier und jetzt beginnt mein Abenteuer: das Race Across France. Ich bin eine von leider nur drei Frauen, die hier auf die Langstrecke gehen. Alle Teilnehmer können im Team oder alleine in den Kategorien „Supported“ oder „Unsupported“ starten und sich entscheiden, ob sie 300, 500, 1.000 oder 2600 Kilometer fahren wollen. Ich entscheide mich für die lange Route – und breche alleine zu meiner eigenen Tour de France auf. Zur Tour de France der Bikepacker. Klar ist: Ich werde die ganze Fahrt über alleine bleiben. Windschatten-Fahren ist bei diesem Rennen erlaubt. Jeder startet alleine nacheinander im Minutentakt in der Reihenfolge der Anmeldung. Ich bin motiviert. Ich fühle mich gut. Zu gut vielleicht, denn ich starte viel zu schnell mit der typischen Übermotiviertheit, die sich während Langdistanz-Rennen quasi immer rächt. Irgendwann. Später. 33, 34, 36 km/h. Ich fahre über meinem Schwellenwert. „Sara, das hier ist ein Marathon und kein Sprint“, denke ich mir noch. Doch ich kann nicht anders. Ich habe ewig auf diesen Startschuss gewartet. Wer hat eigentlich beschlossen, solch ein Event erst am Abend beginnen zu lassen? Ich als 100-prozentiger Morgenmensch bin noch nie in meinem Leben eine ganze Nacht durchgefahren. Doch genau das ist jetzt meine Absicht, meine Strategie, mein Plan – und es ist ein Experiment.

Neben mir: das Meer. Ich rieche das Salz in der Luft. Ich fahre in der Abenddämmerung auf kleinen Stra

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