Frauen an der Macht

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Bei den Khasi haben die Frauen das Sagen im Familienclan – anders als im restlichen Indien

VON Isabelle Girard

Ein Junge als Schirmhalter – Sinnbild dafür, dass Männer Frauen Schutz, Respekt und Gehorsam schulden

Die Königin lehnt an der heiligen Säule, dem Stützpfeiler ihres stattlichen strohgedeckten Holzpalasts, und überwacht die Vorbereitungen für den „Tanz der Jungfrauen“ – Nongkrem. Diese Zeremonie wird jedes Jahr zu Ehren der Frauen in Smit organisiert, einem Städtchen in Meghalaya, dem 21. Bundesstaat Indiens.

Die Herrscherin bleibt im Hintergrund, wird nur schwach angeleuchtet vom Schein einer Feuerschale, die zu ihren Füßen steht, um sie zu wärmen. Rechts und links von ihr zwei Prinzessinnen, ihre Tochter und ihre Nichte.

Die gertenschlanke Königin beobachtet alles – und gibt nötigenfalls Anweisungen für Korrekturen. Sind die Trommler und Zimbalspieler bereit? Sitzt ihr Bruder als oberster Würdenträger in seinem langen schwarzen Mantel mit Goldstickereien auf seinem Platz? Wurden die Reisberge und dampfenden Teekannen zu den Gästen gebracht? Haben die Priester die 20 Opferziegen gesegnet, bevor diesen mit einem Säbelhieb die Kehle durchgeschnitten wird?

In der Mitte der Arena haben junge Männer in Festkleidung ihren Tanz begonnen. Mit langsamen Schritten bewegen sie sich zum Rhythmus der Maultrommeln. Mädchen mit blumenverzierten Kronen in glänzenden safrangelben Gewändern gesellen sich nun dazu. Sie bilden einen Kreis inmitten der jungen Männer – ein Sinnbild dafür, dass diese ihnen Schutz, Respekt und Gehorsam schulden.

2000 Jahre Matriarchat

Was ist das für ein „Königreich“, das jedes Jahr Frauen in den Rang von Göttinnen erhebt? Es ist Meghalaya im Nordosten Indiens. Mit ihren drei Millionen Einwohnern liegt die ehemalige Provinz Assams zwischen Bhutan und Bangladesch auf 1800 Meter Höhe in den Ausläufern des Himalayas, an denen die aufsteigenden Wolken sintflutartig abregnen.

Seit 1972 ist Meghalaya eigenständig und gehört zu den Bundesstaaten, in denen die indigenen Gruppen die Bevölkerungsmehrheit stellen. Dazu zählen auch die 1,5 Millionen Khasi, die vor 2000 Jahren aus Burma, Thailand und Kambodscha einwanderten.

Der Legende nach beschlossen die Khasi-Männer, den Frauen die Führung ihres Clans anzuvertrauen, um ihren Mut zu würdigen, mit dem sie ihr Dorf gegen Eindringlinge verteidigt hatten, während die Männer auf der Jagd waren. So haben die Frauen die Herrschaft übernommen. Die Mütt

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