DER Libero

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PORTRÄT HERBERT LINGE

Ein Leben reicht eigentlich nicht für all die Rollen, die Herbert Linge ausfüllte. Kein Wunder, dass er 95 wurde. Er war Porsches Mann für alles – und wurde vom Mechanikerlehrling zum Testfahrer, Rennfahrer, Techniker und Visionär. Wir werfen nach seinem Tod einen Blick in den Rückspiegel ...

Lässige Pose: Herbert Linge war dafür bekannt, dass ihn so schnell nichts aus der Ruhe bringen kann
FOTOS Unternehmensarchiv Porsche AG
Die ersten Mitarbeiter der Reparatur-Abteilung bei Porsche in Zuffenhausen: Hinter dem Porsche 356 Coupé steht Linge in der Mitte
Bei der Mille Miglia im Jahr 1954 holte Herbert Linge als Beifahrer gemeinsam mit Hans Herrmann einen Klassensieg im 550 Spyder
Das Duo Linge/Herrmann (v.l.) harmonierte. Unvergessen: das Wegducken unter der geschlossenen Bahnschranke bei der Mille Miglia

Das Geheimnis seines hohen Alters? „Benzin im Blut und gute Pflege“, sagt er zu seinem 90. Geburtstag. Wenn ihn irgendetwas gereut hat in all den Jahren, dann vielleicht, dass er nicht mehr über all die Dinge geredet hat, die er geschafft und geschaffen hat – und von denen die Welt doch so wenig weiß.

Vielleicht ist dieser Herbert Linge zu früh erwachsen geworden. Die Eltern wollen eigentlich einen Lehrer aus ihm machen. Stattdessen bewirbt er sich in der in Stuttgart neu eröffneten Versuchswerkstatt einer kleinen Firma namens Porsche und versucht zu beweisen, dass dies der richtige Weg für ihn ist. Es ist Krieg und der Bub ist erst 14 Jahre alt. Er ist einer von acht Lehrlingen, die aufgenommen werden. Als die Werkstatt kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs von einer Bombe zerrissen wird, sind die Werkstücke aller Auszubildenden zerstört – außer seinen. Weil er Jahrgangsbester war, stehen seine Exponate als leuchtende Beispiele in der unversehrten Gewerbeschule.

Linge sieht sich als Versuchsmann

Er ist dabei, als der erste Porsche Gestalt annimmt. Linge fertigt die Pedalerie für den 356. Als der in Serie geht, erhält kein Kunde sein Auto, bevor Linge es nicht Probe gefahren hat. Der junge Schwabe hat nicht nur Grips und geschickte Hände, er ist auch ein begnadeter Autofahrer. Er war stolz auf den Titel Deutscher GT-Meister 1963. Wenn es nicht zur ganz großen Karriere gereicht hat, dann, weil er seine Autos mehr schont, als die Kollegen das tun. Weil er spürt, dass dies nicht seine Bestimmung ist: „Ich wusste, dass ich ordentlich Auto fahren kann, aber ich habe meine Aufgabe immer darin gesehen, dass ich der Versuchsmann bin.“

Er ist der Mann, der lieber anderen ein perfektes Auto hinstellt, als es selbst auszuquetschen. Bei seinem Freund Paul-Ernst Strähle fängt er als Beifahrer an. 1954 sucht Helmut Polensky, erster Rallye-Europameister der Sportgeschichte, einen Co-Piloten für den halsbrecherischen Marathon de la Route. Ein fünftägiges Straßenrennen ohne Pa