„Sei mutig – – und zeige, , wer du wirklich bist“

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Die amerikanische Psychologin Brené Brown (57) erforscht seit vielen Jahren die Themen Mut und Verletzlichkeit. Sie fand heraus, was innere Kraft ausmacht – und wie wir sie finden können

TEXT LISETTE THOOFT FOTO ANDREA SCHER

BRENÉ BROWN

Kennen Sie diese Tage, an denen Sie am liebsten im Bett geblieben wären? Was machen Sie dann?

Wenn ich so einen Tag erwische, habe ich genau zwei Möglichkeiten. Ich kann aufstehen und sagen „Heute bin ich nicht so gut drauf, ich brauche jemanden zum Reden und ich bin besonders freundlich zu mir selbst.“ Oder ich ignoriere diese Gefühle am Morgen. Aber dann steht zu befürchten, dass ich mich mit meinem Mann oder meinen Kindern fürchterlich streiten werde – weil ich nicht anerkannt habe, dass ich nicht gut drauf bin. Das holt dich irgendwann wieder ein. Mal ehrlich: Gute oder schlechte Zeiten, die können wir uns nicht aussuchen. Aber wir können einen Wegweiser durch dieses Dickicht finden. Meiner lautet: Seid unperfekt und verletzlich.

Warum?

Die meisten von uns sind mit der Vorstellung aufgewachsen, dass Verletzlichkeit Schwäche bedeutet. Dabei ist sie der Schlüssel zu allem, von dem wir mehr wollen: Freude, Intimität, Liebe, das Gefühl von Zugehörigkeit, Vertrauen. Wenn wir uns verletzlich, authentisch zeigen wollen, müssen wir unsere Ritterrüstung ablegen. Verraten, wer wir wirklich sind, unsere Ängste und Träume preisgeben. Tun wir das? Höchst ungern, weil wir fürchten, jemand verwendet dieses ganz Persönliche, unser Innerstes, gegen uns. Also machen wir lieber auf tough und cool und flüchten uns in die Hektik.

Wo haben Hektik und Stress ihren Ursprung?

Oftmals im Wunsch, perfekt zu sein. Und dann möchten wir am liebsten von einer Sekunde zur anderen im Boden versinken, weil wir denken, dass wir nicht gut genug, nicht beliebt genug sind, nicht dünn, erfolgreich oder schlau genug. Prompt legen wir den Mantel des Schweigens darüber. Wenn wir unsere Beschämung im Labor in eine Petrischale legen würden, Stille und Schweigen dazugeben – das Gefühl würde munter weiterwachsen. Wenn wir jedoch unsere Geschichte mit jemandem teilen, eine einfühlsame Reaktion erhalten – dann kann Scham nicht überleben. Sie will nicht mit Worten konfrontiert werden. Wenn ich mich verletzlich zeige und der andere dafür Verständnis signalisiert, kann ich mich weiter öffnen und noch stärker vertrauen.

Was ist der Unterschied zu Schuldgefühlen?

Die Schuld sagt: „Oh, ich habe schlecht gearbeitet.“ Die Scham sagt: „Ich bin schlecht.“ Schuld ist in gewisser Weise hilfreich. Wenn wir etwas getan haben, das nicht in un