Sei unerschrocken jojo moyes

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TEXT AUFGEZEICHNET VON SYLVIA NAUSE-MEIER FOTO STINE HEILMANN

KOLUMNE

Was wäre, wenn … Denken Sie darüber auch manchmal nach? Wenn Sie die Chance hätten, von vorn zu beginnen? Oder in ein anderes Leben zu schlüpfen? Was macht mich aus – und warum? Für meinen neuen Roman habe ich mir eine Menge solcher Fragen gestellt. „Sei unerschrocken“, war eine der Antworten, die ich gefunden habe. Das ist so etwas wie mein innerer Kern geworden: Ich wuchs in London auf, in Hackney, in den Achtzigern ein gefährliches Pflaster. Es gab viel Kriminalität: Einbrüche, Diebstahl, Gewalt. Ich habe früh gelernt, auf der Hut zu sein, Körpersprache zu lesen, damit ich rechtzeitig die Straßenseite wechseln kann. Da war immer ein Gefühl der Unsicherheit. Nur nicht in meiner Fantasie: Ich erfand Geschichten über telepathische Ponys, stellte mir einen Pferdestall vor, in dem auch ich wohnen würde. Tatsächlich bekam ich einen – zu meinem achten Geburtstag: Mama hatte mein ganzes Kinderzimmer mit Heu dekoriert … Pferde fesselten mich schon immer, ihr Stolz, ihr Mut. Sie sind zäh und widerstandsfähig. Ja, zuweilen unerschrocken.

Später jobbte ich, sparte mir so das Geld für mein erstes Pferd zusammen: „Bombardier“, der als Fohlen misshandelt worden war. Ich wollte, dass es ihm auch wirklich gutgeht. Allerdings hatte ich „vergessen“, meinen Eltern davon zu erzählen – bevor ich ihn kaufte. Aus Angst, sie würden Nein sagen. Damals war ich 14. Für mich wurde er ein Freund. Ein Fluchthelfer: Wir ritten durch ganz London, die Treppen hoch und runter, durch den Berufsverkehr, Kanäle entlang. Kamen an Orte, an die ich mich nie getraut hätte. Auf Bombardier fühlte ich mich sicher. Nach der Schule musste ich ihn verkaufen – der größte Fehler meines Lebens. Dieses Pferd ist bis heute in meinem Herzen. Tiere gehören zu den Säulen meines Lebens. Sie schenken mir Freude. Lächeln. Energie.

Beim Schreiben offenbart sich mir die Welt, der Sinn von allem

Als ich 17, 18 Jahre alt war, kellnerte ich. War Verkäuferin. Und arbeitete in einer Taxizentrale, in der nebenher auch illegale Videokopien lagerten. Am ersten Tag drückte mir der Chef einen Baseballschläger in die Hand: „falls jemand Ärger macht“. Dazu ist es zum Glück nie gekommen. In dieser Zeit lernte ich so ziemlich alle menschlichen Facetten kennen. Die Guten, die Bösen, Sieger, Verlierer, Betrüger. Geschäftsleute, Betrunkene, Traurige, Glückliche. Engel und Teufel. In diesen Menschen zu lesen, aufzusaugen, wie sie miteinander umgehen – das hat mich geprägt. Fasziniert. Weil ich gesehen habe, wie schmal der G