Stille Tage in Dinklage

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Auszeit im Kloster

FOTOS: WOLFGANG STELLJES

In einer alten Wasserburg im Oldenburger Münsterland leben und arbeiten 20 Frauen, die sich auf das Abenteuer Klosterleben eingelassen haben – die Benediktinerinnen der Abtei Sankt Scholastika. Wie sieht ihr Alltag aus? Und welche Erfahrungen machen Gäste, die an ihrem benediktinischen Leben teilhaben? Wolfgang Stelljes hat sich für ein paar Tage hinter die Klostermauern begeben.

Der Weg zu den Schwestern der Abtei Burg Dinklage führt über eine steinerne Brücke. Für mich ist es eine Fernreise vor der Haustür. Ich bin in einem Arbeiterhaushalt ohne große Kirchenbindung aufgewachsen. Die Tür zur Burg öffnet sich, ein freundliches Gesicht mit Brille erscheint, umrahmt von einem schwarzen Schleier: Schwester Ulrike. Sie begleitet mich zu meinem Zimmer. Es liegt nicht in einem separaten Gästehaus, wie ich es erwartet hatte, sondern in der Burg selbst. Eine Holzstiege, die „Hühnerleiter“, führt hinauf in den ersten Stock zum „Apostelgang“. Früher nächtigten in diesem Gebäudetrakt die Knechte und Mägde, heute sind hier Zimmer für einige der Schwestern und für Gäste untergebracht. Mit wenigen Ausnahmen, zum Beispiel über die Weihnachtstage, nimmt die Abtei das ganze Jahr über bis zu 25 Gäste auf.

Die Dielen in meinem Zimmer sind leicht abschüssig und knarren. Ich schaue mich um: kein Fernseher, kein Föhn, sonst aber alles, was man so braucht. Auf dem Schrank eine Reihe von Büchern, auf deren Rücken Wörter wie Kontemplation, Schweigen, Stille und Scheitern stehen. Ganz links in der Reihe: „Die Regel des Heiligen Benedikt“, ein dünnes Bändchen mit 73 Kapiteln.

Ob Bibelstudium oder Kreuzworträtsel – beides ist auf dem Zimmer in Ruhe möglich.
FOTOS: WOLFGANG STELLJES

Vor dem Abendessen habe ich noch Zeit für eine Runde um die Burg. Es ist ein geschichtsträchtiger Ort, immerhin liegen hier die Anfänge der Stadt Dinklage. Auch wurde Clemens August Kardinal von Galen auf der Burg geboren, der „Löwe von Münster“, der in der NS-Zeit öffentlich die Euthanasiemorde anprangerte und 2005 durch den Papst seliggesprochen wurde. Ernst blickt er von einem großen Porträt am Backhaus, in dem eine Ausstellung wichtige Stationen seines Lebens beleuchtet.

Der erste Gottesdienst

18 Uhr. Eine Glocke ruft zum Abendgebet in der Kirche, einer umgebauten Scheune. Fünfmal am Tag treffen sich die Schwestern zum Gebet, ein fester Tagesrhythmus. Nach und nach betreten sie den Chorraum, eine kurze Verbeugung Richtung Kreuz, dann nimmt jede auf ihrem Stuhl Platz. Ganz vorne sitzt Schwester Johanna, die Hände gefaltet, die Augen geschlossen. Sie vertritt die Äbtissin, die zu einer Tagung in die USA gereist ist. Ich nutze das minutenlange Schweigen und mustere den üppigen Blumenschmuck vor dem Altar. Benedikt, der Ordensgründer, fristet ein Nischendasein –